Eine der merkwürdigsten Episoden des deutschen Baseballs nimmt 1995 ihren Anfang: Die Trier Cardinals haben auf einmal Geld. Ein Eisdielenbesitzer kauft dem Sechsten der vorherigen Saison die Stars: Die Mannheimer Erzrivalen Martin Helmig (ehemals Amigos) sowie Stephan und Frank Jäger von den Tornados, die Toppitcher Stefan Fechtig aus Leonberg und Frank Stattler aus Kapellen, auch etliche starke Ausländer wie den ewigen Paderborner Octavio Medina und den späteren Mainzer Franklin Pérez. „So eine starke Mannschaft gab es in Deutschland vorher noch nie“, sagt Marc Wiedmaier. „Niemand konnte mit ihnen mithalten.“ Trier wird mühelos Deutscher Meister – und die A’s Zweiter im Süden vor den Amigos und dem starken Aufsteiger Regensburg Legionäre. Die durch die Abgänge arg gebeutelten Tornados, 1994 noch Südmeister, spielen erstmals gegen den Abstieg.
Zum einen verhilft den A’s ein neuer Pitcher zur Vizemeisterschaft: Stefan Lang von den Mutterstadt Vikings, der sich später in Marc Lang umbenennen lässt. Der zwei Meter große 22-Jährige aus der 2. Bundesliga wird als Reliever vorgestellt, setzt sich aber sofort als Stammspieler durch: Elf Starts über 49 Innings, beides Bestwert in dieser Saison. „Lang hatte einen guten Hebel“, sagt Marc Wiedmaier, „lange Bewegungen und einen festen Wurf. Über Jahre hat er gute Leistungen gebracht.“ Erst 1998 wirft Karl-Kai McKinstry noch mehr als der Ludwigshafener Medizinstudent und Nationalspieler.Außerdem kommen zwei Ausländer jetzt richtig in der Mannschaft an: Catcher José Esparza (1994 vier Einsätze) und Pitcher Charles Edmond (1994 zwei Spiele). Der Minor-League-erfahrene Esparza aus Los Angeles verdrängt Rafael Merced und Rolf Wirth von ihrem Platz hinter der Platte und Edmond hat endlich Zeit für die Athletics. Als wichtigster Reliever wirft der US-Soldat in 13 Spielen 34 Innings. „Pitches im hohen 90-Meilen-Bereich“, schwärmt Arndt Wiedmaier, „da hat keiner etwas gemacht, wenn er ihn nicht gewalkt hat.“ Nur 13 von 140 Battern schenkt Edmond die erste Base, nur 19 schaffen einen Hit, nur acht scoren – 49 fertigt er per Strikeout ab. „Vor allem in den Playoffs hat er richtig gut geschmissen“, erinnert sich Arndt Wiedmaier. „Bei ihm gab es so gut wie keine Runner.“ Es liegt an der mittelmäßigen Offensive, dass Edmond drei Spiele verlor. „Auch die Defensive war damals nicht so toll“, sagt Arndt Wiedmaier.
Sein Bruder erklärt das mit den bereits aus dem Vorjahr bekannten Problemen: „Es lief einfach nicht gut. Es gab kein Herz in der Mannschaft. Wir hatten einen großen Kader, der aber ziemlich zusammengewürfelt war. Eigentlich waren wir ja gut aufgestellt. Wir hatten im zentralen Infield und hinter der Platte drei Amerikaner, die etwas getaugt haben, wir hatten gute Pitcher mit Lang, Dundik, Ciminiera und Edmond als Closer. Das hätte reichen können, aber wir waren einfach nicht richtig homogen.“ Es gibt die Nachwuchsspieler: Der 19-jährige Darmstädter Rolf Krämer an der zweiten Base, Sascha Hübler, der sich im Outfield nicht durchsetzt. Es gibt die Alten: Wirth, Marc Wiedmaier, Thomas Kröner. Es gibt die Amerikaner. „Alle in unterschiedlichen Kategorien“, erklärt Marc Wiedmaier. „Eigentlich hatten wir ein Klasseteam. Eigentlich waren wir besser, als wir abgeschnitten haben. Aber nicht immer haben alle an einem Strang gezogen.“So liegt die gute Platzierung auch an der Schwäche der Konkurrenten. „Wir haben einige Spiele abgegeben“, sagt Marc Wiedmaier. „Viel gesplittet.“ Immerhin einmal in Trier; die Cardinals verlieren in der regulären Saison nur drei Partien.
In der ersten Playoff-Runde haben die Athletics gegen die St. Pauli Knights wenig Mühe. Im Halbfinale sind sie gegen den großen Hamburger Verein, den Nordmeister Lokstedt Stealers chancenlos. „Ärgerlich“, sagt Marc Wiedmaier. Trier braucht drei Spiele, um die Endspielserie gegen die Stealers zu gewinnen und erstmals Deutscher Meister zu werden.„Durch diese Situation ist bei uns die Vorstellung gereift, dass wir die Jugendarbeit intensivieren müssen“, erklärt Marc Wiedmaier. „Wir haben gesehen, dass wir eher Klasse als Masse brauchen, Kontinuität in den Kader bringen müssen. Wir mussten auch zusehen, einen Trainer zu haben, der die Vereinsphilosophie vertritt. Über kurz oder lang war ich das, obwohl ich gern noch länger gespielt hätte.“ cka / Fotos: Mainz Athletics