Selten klappt eine Übergabe so gut wie zwischen den Saisons 2000 und 2001. Marc Wiedmaier hat schon im Herbst angekündigt, als Trainer zurücktreten zu wollen, betreut die Mannschaft aber noch im gesamten Wintertraining, ehe auf dem noch verschneiten Platz der Kanadier J Osborne übernimmt. Der 28-Jährige, der bereits das französische Nationalteam und die Barracudas Montpellier gecoacht hat, ist für den Nachwuchs ein Glücksfall: „Er wusste nicht, wer in der ersten und wer in der zweiten Mannschaft spielt“, erklärt Martin Kipphan. „Es hat ihn auch nicht interessiert. Er hat uns unvoreingenommen angeschaut.“ Florian Arnold hat auf einmal 22 At Bats, Patrick Küffner 20, Kipphan 12. Manuel Möller wird in 14 Spielen offensiv eingewechselt und pitcht gut 40 Innings auf ordentlichem Niveau.
„Das war ein Umbruch“, sagt Kipphan. „Der Kader ist größer geworden. Da tauchen Namen auf… Timur Beber, Christian Hauzar, Wilfredo López…“ Einige verschwinden bald wieder in unteren Klassen, aber manch einer reift unter Osborne zum vollwertigen Bundesligaspieler. „Wir Jungen hatten das Gefühl, dass wir jetzt mal richtig zeigen können, was wir drauf haben“, sagt Kipphan. „Und die Alten mussten sich neu beweisen.“Stephan Kaus und Dirk Günther verlassen die A’s. Ebenso José Pimentel – der neue Trainer ist zu teuer, der Verein kann sich seinen besten Angreifer der Vorsaison nicht noch einmal leisten. Ganz kurz vor dem Ligastart fliegen die A’s als neuen Amerikaner den (preiswerteren) Harold Goodeill ein. Der 1,93 Meter große Outfielder aus Kalifornien landet nach 16 Stunden im Flieger erst zwei Stunden vor dem ersten Pitch der Saison in Frankfurt, bleibt im ersten Spiel auf der Bank und schlägt im zweiten seinen ersten Bundesliga-Homerun. Pitchen, das zeigt sich am zweiten Spieltag, kann Goodeill nicht – mal wieder fehlt den A’s ein guter Closer. Auch die Offensivwucht von Pimentel erreicht der Kalifornier nicht. Aber dafür gibt es einen einfachen Grund.
Denn der Trainerwechsel ist nicht die einzige Revolution. Erstmals wird in der Bundesliga verpflichtend nicht mehr mit Aluminium, sondern mit Schlägern aus Holz gespielt. „Für die Spieler ist das ein Unterschied wie zwischen Tag und Nacht“, sagt Kipphan, „eine krasse Veränderung.“ Das beweisen die Statistiken: „Mit Aluminium sollte ein Stammspieler eine Batting Average von mindestens .300 haben“, erklärt Kipphan. Die unterboten 2000 nur drei Mainzer – diejenigen, die bei ihren Kurzeinsätzen gar nichts trafen. Bester Deutscher ist nun Benjamin Hieronimi mit .288 vor Janusz Radicke (.280) und dem wieder genesenen Stefan Niewiadomski (.279). Besser sind nur Eddie Martínez (.471) und Goodeill (.481). „Man hat das Gefühl, man hätte die ganze Zeit eine Kalaschnikow gehabt und plötzlich schießt man mit Erbsen“, sagt Kipphan.Wirklich gut läuft die Saison nicht für die A’s. Letztlich ist J Osborne doch der falsche Trainer. Nicht wegen inhaltlicher Mängel. Die Spieler loben das amerikanische Training mit Methoden, die sie noch nicht kannten. „Aber einiges hat nicht gepasst“, erklärt Kipphan. „J hatte Heimweh. Er kam aus Kanada, war vorher in Montpellier, hatte hier niemanden und hat innerhalb der Mannschaft Freundschaften aufgebaut. So ein Verhältnis ist gut, aber nicht, wenn man abends zusammen einen trinken geht. Teilweise hat seitens der Spieler der Respekt gefehlt, mit einigen gab es Reibereien. Und irgendwann hat’s gescheppert.“
Weit hinter den Tornados und haarscharf vor der Überraschungsmannschaft der Tübingen Hawks retten sich die A’s auf den zweiten Platz – ohne Goodeill, der sich als Helfer bei der Europameisterschaft das Bein gebrochen hat. In den Halbfinalspielen gegen die Cologne Dodgers wird das Team schon wieder von Marc Wiedmaier gecoacht. Denn Osborne ist nach dem Anschlag auf das World Trade Center überstürzt in die Heimat abgereist. Die seit ein paar Wochen etwas zerstrittenen A’s verlieren zweimal zu Null.„Merkwürdig“ nennt Kipphan Osbornes Abgang. „Er wollte in der Canadian Air Force seine Familie schützen, falls auch in Kanada etwas passiert. Man muss vorsichtig sein mit Begriffen wie „Vorwand“, aber er wäre von Vereins- und Spielerseite aus eh nicht wiedergekommen. Mannschaftsintern hat er aber viel verändert.“ Die Grundlage für einen neuen Aufschwung ist gelegt. cka / Fotos: Mainz Athletics