Konstanz in der sportlichen Leitung wäre schön, ist aber für die A’s in den Jahren nach Marc Wiedmaier unerreichbar. 2004 muss schon wieder ein neuer Trainer her: Sheldon Sawatzki stand zwar noch für die Saison unter Vertrag, bekam aber ein lukratives Angebot einer US-Firma. Ein kapitales Missverständnis: „Er dachte, das wäre ein Programm, bei dem er mit Erwachsenen arbeitet“, erklärt Martin Kipphan, „aber am Ende hat er in einer Art Freizeitpark kleinen Kindern gezeigt, wie man schlägt und wirft. Den Job hat er nicht lange gemacht.“
Sawatzkis Nachfolger Greg Frady ist ein Glücksfall für die A’s, jedoch verbunden mit einem gewissen Risiko. „Frady war ein toller Coach“, sagt Kipphan, „langfristig für unseren Verein aber vielleicht nicht der richtige. Er war damals schon eher ein Nationaltrainer, der wusste, dass er seine Stars hat und mit denen Erfolg haben muss. Um die hat er sich gekümmert. Es hatte den Anschein, als hätte es ihn wenig interessiert, was nachkommt und was es für junge Talente gibt.“ Ob Frady aber die Struktur der Mannschaft wirklich nachhaltig hätte beschädigen können, ist Spekulation; dafür ist er nicht lange genug in Mainz. Das Positive überwiegt.„Es war krass mit Frady“, sagt Kipphan. „Er war so professionell, wie man nur sein konnte.“ Alles ist sehr amerikanisch mit dem neuen Coach. „Wie er strahlt mit seinen weißen Zähnen und seiner braungebrannten Haut und einem sonstwas erzählt“, erinnert sich Kipphan, „seine pathetischen Reden, das war wie im Kino, wenn der Präsidenten vor einer wichtigen Schlacht seine Rede hält. Man grinst sich eins, weil es so übertrieben amerikanisch ist, aber dann fängt das Spiel an und man ist total motiviert.“ So etwas sind die A’s nicht gewohnt. „Mit J Osborne und Sheldon Sawatzki haben wir nach dem Spiel schon mal gegrillt und ein Bier getrunken. Bei Frady war immer klar: Er ist nicht als unser Freund hier oder als einer, der eine schöne Zeit mit uns verbringen will. Er macht keine Witze, er ist Trainer und er will Erfolg. Zu hundert Prozent.“
Und den hat er. „Wir waren unglaublich gut“, sagt Kipphan, „das war unser bestes Jahr.“ Die A’s haben Manuel Möller auf seinem Zenit, der in 95 Innings 116 Strikeouts wirft und nur ein Spiel verliert. Sie haben Ryan Balan mit 118 Strikeouts in 92 Innings und 11:3 Siegen. „Ryan war der beste Spieler im ganzen Land“, schwärmt Kipphan, „als Pitcher, Hitter und Outfielder ein unglaublicher Typ. Im Spiel konnte er alles – und er war der netteste und intelligenteste Typ überhaupt.“ Und gleichzeitig eine merkwürdige Figur. „Ryan hat sich keine großen Gedanken gemacht, sondern einfach Spaß am Leben gehabt“, sagt Kipphan. „Irgendwann wollte er Dreadlocks. Ich habe ihn zum Friseur geschickt, aber er hat gesagt: Nö, ich kämme einfach meine Haare ein halbes Jahr lang nicht mehr.“Aber auch Balan ist nicht lange genug in Mainz, um zur echten Legende zu werden. Nach zwei Jahren wechselt der Kanadier in die Niederlande – aus Versehen aber nur in die zweithöchste Liga. „Er wollte auf ein höheres Level“, erklärt Kipphan, „aber die Liga war schlechter als die Bundesliga. Er hat sie derart dominiert, dass er nach zwei Monaten nicht mehr wollte. Ryan hatte ja schon die Bundesliga beherrscht. Die drei Niederlagen hatte er nicht verdient.“ Als linkshändiger Pitcher mit Kontrolle könnte Balan eine große Karriere haben. „Es gibt nichts, womit man leichter in die Major League kommt“, sagt Kipphan. Aber daraus wird nichts.
Die Saison beginnt mit neun Siegen. Nach Balans Niederlage im zehnten Spiel gewinnen die A’s weitere acht Mal. Die beiden großen Siege in Regensburg am vorletzten Spieltag sichern früh die erste Südmeisterschaft der Mainzer seit vier Jahren.„Was die Spiele angeht, hat Frady immer die richtigen Entscheidungen getroffen“, sagt Kipphan. „Es ist immer schwer zu sagen, wie oft man wegen des Trainers gewinnt. Aber in diesem Jahr war es so krass: Die Spieler sind es, die es machen müssen, aber wir wussten einfach: Ob er uns bunten lässt, ob er uns schlagen lässt, er liegt nie falsch. Wir haben an keiner Entscheidung mehr gezweifelt. Er hat uns Spiele gewonnen. Das sieht man ja heute noch an seinem Erfolg als Nationaltrainer. Er erfüllt oder übertrifft immer noch alle Erwartungen. Und wir wussten: Wir können Meister werden. Im Süden sind wir es schon und auch gegen den Norden sind wir Favorit.“
Aber in den Playoffs gibt es den Schock für den Erfolgscoach und seine Mannschaft. Das Viertelfinale gegen Solingen gewinnen die A’s mühelos. Im Halbfinale steht es gegen Fürth 1:1 und die Niederlage im zweiten Spiel ist absurd. Und dann zerstört ein Hurrikan das Haus der Familie Frady in Florida, Gregs Schwiegermutter wird vermisst. Der Trainer muss nach Amerika. Marc Wiedmaier und Stephan Kaus springen ein und verlieren das dritte Spiel 3:4. Der Schwung der Saison ist dahin. „Wir waren so viel besser als Fürth!“, sagt Kipphan. „Aber an dem Tag hat nichts geklappt. Wir haben nicht die ganze Zeit gedacht, dass wir mit Frady gewinnen würden. Aber von der Stimmung her hat es einfach nicht mehr gepasst.“ Nach dem 0:3 im vierten Spiel ist der Traum vom Titel früh vorbei. cka / Fotos: Bernd Eßling, Mainz Athletics