Es dürfte nahezu unmöglich sein, noch schlechter auf eine Saison vorbereitet zu sein als das Athletics-Team der Saison 2011. Die Preseason verläuft wie in der Steinzeit des deutschen Baseballs: Trainiert wird überall, wo keine Fensterscheibe in der Nähe ist, die zu Bruch gehen könnte. Im Volkspark. Oder auf der anderen Rheinseite, am hinteren Ende Kostheims, im Garten der Familie Weichert, wo die Spieler einen uralten Batting Cage aufbauen und mit Tape und Holzstangen von Nici Weicherts Opa stabilisieren – „anschließend“, sagt Martin Kipphan, „konnte man den Cage wegwerfen.“
Der bisherige Sportdirektor Ulli Wermuth, der drei Jahre nach dem Ende seiner aktiven Bundesligakarriere Cae Santos als Trainer beerbt, muss improvisieren. Der neue Ballpark ist noch nicht fertig. Die Bausubstanz steht, aber der Rasen ist noch zu jung, darf noch nicht strapaziert werden. Die A’s würden gern auf den Army-Platz in Finthen ausweichen, auf dem einst die Mainz Rebels gespielt haben, dürfen aber nicht. In der Paderborner Baseballhalle, der modernsten in Deutschland, verbringen sie ein dreitägiges Trainingslager. Alle Vorbereitungsspiele und die komplette Hinrunde der regulären Saison müssen auswärts ausgetragen werden.„Und angesichts dessen haben wir eine überragende Hinrunde gespielt“, schwärmt Kipphan. Splits in Bad Homburg, Regensburg, Mannheim und Haar, Doppelsiege beim Tabellenführer Heidenheim (zweimal 1:0) und in Gauting, Bei allen vier Niederlagen geht der Gegner erst im letzten Inning in Führung. 8-4 Siege stehen am Ende der Auswärtsrunde. Trotz weiterer schwieriger Bedingungen: Im Zweitligaspiel in Ladenburg reißt sich der bis dahin überragende Jan-Niclas Stöcklin das Kreuzband – Saisonende für den Bundesliga-Starter, der vier von fünf Spielen gewonnen hat. U21-Spieler pitchen fast die Hälfte aller Innings und stellen über ein Drittel der Offensive. Weil Ulli Wermuth unter solchen Voraussetzungen die Saisonbilanz der A’s erheblich verbessert, nominiert der Europäische Trainerverband EBCA den neuen Mainzer Chefcoach für die Wahl zum Trainer des Jahres – eine ernsthafte Chance, diese Ehrung zu gewinnen, hat Wermuth in dem Jahr, in dem mit dem niederländischen Team erstmals seit 1938 eine europäische Mannschaft Weltmeister wird, freilich nicht.
Grundlage des Erfolgs ist ein wesentlich verstärkter Kader – auch auf Wunsch der Spieler selbst. „Ein paar von uns sind zu Trainer, Sportdirektor, Vorstand gegangen und haben mehr Unterstützung gefordert“, erklärt Kipphan. „Es war ja schön und gut, dass die jungen Leute spielen konnten, aber andererseits nicht fair den älteren gegenüber, die fünf Stunden am Tag trainiert haben, dass 2010 nur noch die Jungen gespielt haben – und mal sehen, wie wir abschneiden.“Mit den Bundesliga-Routiniers Martin Matlacki aus Saarlouis für das Rightfield und Alex Szalay, der als Paderborner Nachwuchsspieler Titel sammelte und später in Köln und Mannheim spielte, für das Infield, mit Shortstop Tony Baker aus Georgia – eigentlich sollte Keigo Miyagi zurückkommen, aber der sagte mal wieder im letzten Moment ab – und dem schwedischen Nationalspieler Peter Johannessen als Nachfolger für Leftfielder Enzo Muschik, der nach Regensburg wechselte, holen die A’s etliche Stützpfeiler für ihr junges Team. „Das ergab einen guten Mittelweg zwischen der Integration junger Spieler und dem Leistungsanspruch“, sagt Kipphan. „Nach den Jahren 2009 und 2010, in denen der Anspruch zu sehr gefehlt hatte, hatten wir wieder das Gleichgewicht, das man in der Bundesliga braucht.“
Beim Heimdebüt gibt es Streit. Die Heidenheim Heideköpfe gewinnen das erste Spiel 10:7 – und als sie im zweiten die Kontrolle über die Partie verlieren, will ihr Pitcher Dusty Bergman nicht weniger als einen Spielabbruch, weil ihm der Hügel nicht mehr gefällt. Eine halbe Stunde wird unter den Pfiffen der 800 Zuschauer am Mound gebastelt, ab und zu fliegt ein Probepitch durch die Luft, dann muss Benni Hieronimi wieder mit dem Werkzeug kommen. Unter Protest gewinnt Heidenheim auch die zweite Partie.Wegen der schweren Verletzung von Pat Haugen, der im Training einen Ball aufs Auge bekommt und wochenlang fehlt, verlieren die A’s in der Rückrunde den Anschluss. Eine Siegesserie in den letzten Spielen sichert den Platz in den Playoffs. Dort sind die Solingen Alligators wie jedes Jahr zu stark. cka / Fotos: Tanja Szidat, Manfred Holzhauser