Geschichte wiederholt sich. Wie fünf Jahre zuvor müssen die Athletics vor der Saison 2013 ihren Kader einschränken. Die Leistungsträger Mike Larson und Martin Kipphan unterbrechen ihre Bundesligakarrieren zugunsten des Berufs. Pat Haugen, der kurzfristig wieder ins Team geholt werden kann, bleibt der einzige Auswärtige im Kader: Unerwartete Mehrkosten beim Stadionbau und der Unterhaltung der Anlage haben eine Lücke in den Etat gerissen, die so kompensiert werden muss.
2008 konnten die A’s diesen Qualitätsverlust nicht auffangen. Daher ist vor der Saison eine gewisse Nervosität zu spüren. Was kann man der jungen Mannschaft zutrauen? Eine ganze Menge: Die A’s starten mit 8:0 Siegen, verpassen den eigenen Startrekord von 18:2 nur knapp und verlieren erst am elften Spieltag die Tabellenführung. „So viele Spiele haben wir zuletzt vor neun Jahren gewonnen“, erklärt Coach Ulli Wermuth. „Und damals waren wir mit Ryan Balan, Eddie Martínez und einem amerikanischen Coach sehr gut besetzt. Dieses Mal wieder.“ Dank der seither intensivierten Jugendarbeit. Im Juni tritt erstmals eine Bundesligamannschaft mit einem komplett selbst ausgebildeten Team an: Pitcher Christian Decher, die Infielder Tim Stahlmann, Max Boldt, Nici Weichert und Lennard Stöcklin, die Outfielder Julius Spann und Kevin Kotowski sowie der Designated Hitter Timmy Kotowski, erster Absolvent der Rhein-Main Academy, spielen seit früher Jugend für die Athletics. Catcher Andreas Lastinger und Leftfielder Patrick Runkel wurden spät verpflichtet, spielten aber zunächst in der zweiten Mannschaft. In Tübingen holen diese Jungs den 15. Sieg im 17. Spiel.Ein endgültiges Modell, gerade für ganz große Ansprüche, ist die durchgängig Mainzer Aufstellung natürlich nicht. „Es ist toll, so erfolgreich zu sein“, sagt A’s-Coach Ulli Wermuth, „aber wenn es möglich ist, den Kader mit Auswärtigen zu verstärken, dann will ich das auch machen.“ Tübingen ist die Ausnahme: Infielder Lars Szameitpreuß, vor der Saison aus Solingen geholt, fehlt verletzt. Und im zweiten Spiel des Doubleheaders pitcht natürlich der großartige Pat Haugen. „Pat hat ganz viel dazu beigetragen, dass wir so erfolgreich sein konnten“, sagt Wermuth nach der Saison. „Im ersten Spiel haben sich einige Gegner von uns überraschen lassen. Und nach einer Niederlage im zweiten Spiel auf Haugen zu stoßen, ist sicherlich nicht angenehm.“
Allerdings spielen die A’s etwas über ihrem Niveau: Die Defensive steht in der Regel gut bis perfekt; vor allem in Haar funktioniert die Feldverteidigung wie eine gut geölte Maschine. Stahlmann und Weichert werden nach Boldt, Decher und Kevin Kotowski der vierte und fünfte Nationalspieler im Team. Auch das Pitching ist weitestgehend sehr gut; Haugen ist bis zu seiner Verletzung nicht zu schlagen, Christian Decher hat in der Hinrunde in den Anfangsphasen der Spiele noch leichte Schwierigkeiten, wird aber immer besser. Manuel Möller, nach Kipphans Abschied mit 14 Bundesligajahren alleiniger Rekordspieler der A’s, findet noch einmal zu alter Stärke zurück. Der 16-jährige Julius Reitemeier schafft gegen Bad Homburg ein hervorragendes Bundesligadebüt, worauf ihn seine gleichaltrigen Fans hochleben lassen wie lange niemanden mehr. Und „Big D“ Daniel Klein kommt als Haugens Vertreter in die Bundesliga zurück. Aber die Offensive produziert zu wenig. Daher bricht die Mannschaft am Ende der regulären Saison etwas ein – als sie schon längst für die Playoffs qualifiziert ist. Diese beginnen im strömenden Regen mit einer beeindruckenden Aufholjagd: Die Bonn Capitals führen nach sechs Innings 9:1, dann legen die A’s los – aber es reicht nicht: In höchster Not retten die Capitals das 9:8. Es folgt die größte Pat-Haugen-Show der Saison – in den ersten fünf Innings der zweiten Partie wirft der Amerikaner nicht weniger als 14 Strikeouts. Erst danach braucht er gelegentliche Hilfe seiner Mitspieler. In den Rückspielen sieht es gut aus für die A’s: 2:1 Siege, 3:2-Führung im sechsten Inning der vierten Partie – aber dann wackeln die Pitcher. Die Bonner gewinnen und erreichen im Entscheidungsspiel problemlos das Halbfinale.„Ich bin unheimlich stolz“, sagt Ulli Wermuth im Winter, mit einigen Wochen Abstand, „aber es fällt mir immer noch schwer, richtig zufrieden zu sein. Am Ende will man gewinnen. Wenn man nach 21 Spielen mit der jüngsten Mannschaft und den wenigsten Ausländern an der Spitze steht, hat man das Recht, gierig zu werden. Wir haben es nicht mehr hinbekommen, die Gier in Erfolg umzumünzen.“ Dem positiven Fazit des Berufsoptimisten Wermuth tut das natürlich keinen Abbruch: „Wir haben durchgezogen, was wir seit Jahren machen: den Nachwuchs fördern und spielen lassen. Das hat sehr gut geklappt und ich hoffe, dass wir darauf aufbauen können.“ cka / Fotos: Tanja Szidat, Manfred Holzhauser