Don Freeman ist ein geradezu legendärer Coach aus den Vereinigten Staaten. Der Mann aus dem pazifischen Nordwesten der USA, der am Sonntag 64 Jahre alt wurde, bildet seit Jahrzehnten den hochklassigen Nachwuchs in drei Sportarten aus. Seit Mitte Juni ist Freeman als Envoy der Major League Baseball bei den Mainz Athletics. Eine scharfe Übersetzung des Begriffs „Envoy“ ist in diesem Kontext schwierig; „Botschafter“ kommt der Sache wohl am nächsten.
Mr. Freeman, was führt Sie nach Mainz?
Envoys wie ich werden von der MLB International [sozusagen dem Außenministerium der Major League Baseball] entsandt, um den professionellen Baseball zu repräsentieren und in jeglicher Weise den gastgebenden Klubs zu helfen. Manche bauen Spielfelder, andere trainieren Sportler und Coaches oder bringen den Spielern spezielle Fähigkeiten bei.
Ist es Ihr erster Besuch in Deutschland?
Nein, mein vierter als Envoy, der zweite in Mainz. 2009 habe ich bei einem Baseballcamp in der Nähe von Berlin Ulli Wermuth kennengelernt. Er ist kurz darauf in die Staaten gereist, um im Winter dort zu coachen, und in Mainz gab es keinen Ersatz. Also bin ich von Paderborn an die Sandflora gekommen, wo ich eine wunderbare Zeit hatte.
Welche speziellen Aufgaben haben Sie nun in unserem Verein?
Ich helfe in allen Altersgruppen im Training: Bei den Schülern, der Jugend, der Bundesliga, zweiten Bundesliga, Regionalliga, außerdem in Schulprogrammen und weiteren Jugendprojekten wie dem Jugendfest, bei dem viele Athletics dabei waren.
Sie müssen eine Menge Erfahrung als Coach haben…
Oh ja. Seit 35 Jahren coache ich Highschool-Baseball, seit 30 Jahren auch American Football, seit 31 Jahren Turnen, Männer und Frauen. Drei verschiedene Sportarten, durchgängig. In den vergangenen vier Jahren habe ich eine Junior-College-Baseballmannschaft trainiert. Das sind die ersten beiden Jahre des Universitätsstudiums, die Spieler sind in der Regel 18 bis 21 Jahre alt. Ich hatte das große Glück, fünfmal Trainer der US-Nationalmannschaft zu sein.
Das ist keine Major-League-Auswahl, sondern ein Team mit College-Spielern, richtig?
Fast richtig. Es ist ein U16-Team. Ich habe mit meinen Jungs an zwei Weltmeisterschaften teilgenommen. 2003 habe ich als Headcoach Gold in Taiwan gewonnen, damals hat mich das Olympische Komitee der USA als Trainer des Jahres geehrt. 2007 habe ich als Assistenzcoach ebenfalls die WM gewonnen. Das war aufregend! Zweimal habe ich an Panamerican Games teilgenommen, 2010 schließlich mit der Frauennationalmannschaft in Venezuela WM-Bronze geholt.
Mit U16-Spielern gegen Erwachsene. Sie müssen wirklich ein gewaltiges Niveau haben in den Staaten…
Ja, wir haben gute Kids. Die gibt es allerdings auf der ganzen Welt. Das ist das Tolle beim Baseball.
Auch in Deutschland?
Der deutsche Baseball ist beeindruckend. Er hat sich als gute Marke platziert mit sehr guten Athleten, und er wird in Deutschland immer beliebter. Darum schickt die MLB Envoys hierher, um ihn noch weiter zu fördern. Deutschland ist ziemlich gut im Fußball, gerade ja Weltmeister geworden, aber auch unter den Fußballern gibt es viele herausragende Athleten, die durchaus beides spielen könnten. Das Ziel der Mainz Athletics muss sein, mehr dieser großen Talente zum Baseball zu bekommen.
Was müssen wir in Deutschland verbessern?
Es gibt eine Sache, die den deutschen Baseball zurückhält: Es gibt so wenig Spiele! Dadurch sind die Instinkte und Gewohnheiten nicht so gut entwickelt, wie sie sein könnten. Ein Highschool-Spieler in den USA hat 30 Highschool-Spiele, 60 Sommerspiele, vielleicht 15 bis 20 Herbstspiele. Das ergibt ungefähr hundert Spiele im Jahr. In Deutschland sind es nur 25. Junge amerikanische Spieler haben dadurch eine viel größere Erfahrung, mit der sie viele Situationen auf dem Platz voraussehen können. Und die Spiele sind nicht alles. Am College trainieren wir an fünf Tagen der Woche und wenn wir spielen, dann zwei Spiele am gleichen Tag. Das ist natürlich auch eine kulturelle Geschichte. Bei uns gehen die Jungs nach dem Unterricht in die Kabine, ziehen sich um und spielen. In Deutschland kommen sie aus der ganzen Region zum Baseballplatz, bei uns aus dem ganzen Schulgebäude. Das ist ein großer Unterschied.
Eine ganz andere Basis, was erklärt, warum Sie mit so jungen Teams so erfolgreich sein können. Wer waren denn Ihre prominentesten Spieler?
Mal sehen. Jeremy Hellickson pitcht für die Tampa Bay Rays. Billy Butler spielt für die Kansas City Royals, Justin Upton und Evan Gattis für die Atlanta Braves. Delmon Young wurde 2003 als erster Spieler von der Major League gedraftet, was eine große Ehre ist. Er spielt jetzt in Baltimore. Und an der Highschool habe ich Alan Embree gecoacht, einen linkshändigen Pitcher, der 2004 mit den Red Sox die World Series gewonnen hat.
Die legendäre World Series, in der die Red Sox einen Rückstand von 0:3 Siegen gedreht haben? Dieses Team war 2007 unser Vorbild im Finale der Deutschen Meisterschaft. Unser Coach Cae Santos hat nach den zwei Niederlagen gegen Regensburg von nichts anderem mehr geredet als von dem Pitcher, der trotz blutigem Knöchel gespielt hat…
Bloody Sox Curt Schilling… Alan hat mir mal erzählt, Schilling wäre ein sehr dramatischer Spieler und hätte die Socke wahrscheinlich mit Ketchup gefärbt (lacht). Ich hatte die allerbesten Spieler. Es gibt zwei Auswahlturniere für die Nationalmannschaft, an denen jeweils 76 Mannschaften teilnehmen. Ich konnte also aus über 3.000 Spielern auswählen. Einige wurden von der Major League gedraftet, die es nicht in mein Team geschafft hatten.
Davon sind die deutschen Talente wohl noch ein bisschen entfernt. Aber kennen Sie Julsan Kamara?
Der kam von Mainz nach Regensburg und hat jetzt einen Profivertrag bei den Phillies unterschrieben. Aber das ist tatsächlich ein Problem. Wenn jemand in Mainz anfängt und über Regensburg in die Major League kommt, ist das toll. Aber Mainz muss einen Teil der Anerkennung bekommen. Hätten die Athletics ihn nicht auf ein so hohes Niveau gebracht, wäre er nie nach Regensburg bekommen. Viele dort stammen eigentlich von anderen Vereinen, also sollte von dem Geld, das Regensburg bekommt, auch etwas zu den anderen Klubs gehen. Paderborn hat kürzlich einen Shortstop in die USA gebracht, aber auch der kam wahrscheinlich von einem anderen Verein. Das ist frustrierend und erzeugt Animositäten. Aber diese Problematik werden wir eines Tages lösen können.
Sehen Sie in Mainz jemanden, dem Sie einen ähnlichen Weg zutrauen?
Zwei oder drei Spieler. Wir haben schon mit Colleges gesprochen. Viele Deutsche glauben, die wären zu teuer. In Amerika sind wir es halt gewohnt. Die Namen sind jedenfalls platziert.
Sie verlassen uns Mitte August. Wird man Sie hier wiedersehen?
Ich werde sicher eines Tages wieder hier sein, hoffentlich schon nächstes Jahr. Das wäre großartig. Das Schöne am Envoy-Programm: Wenn Mainz einen bestimmten Envoy will, kann der gezielt angefordert werden. Es hilft auch uns einfach, wenn man die Leute, mit denen man arbeiten soll, schon kennt.