Einer unserer Matchwinner bei der Schlacht in der Osternacht war der Mann, mit dem wir im Winter gar nicht allzu sehr zu rechnen gewagt hatten. Christian Decher, 2014 Starting Pitcher (ERA 2.03, 5 Wins, 79 Strikeouts in 79.2 Innings) hatte sich nicht abgemeldet, aber seine Prioritäten klar formuliert: Erst das Studium, dann die Athletics. „Ich habe jetzt an der Uni viel zu tun“, sagt der 23-Jährige. „Das Studium“ – Wirtschaftsingenieurswesen an der TU Darmstadt – „steht für mich an erster Stelle. Baseball ist vorerst nur ein sehr intensives Hobby für mich.“
Ein Hobby, dass der gebürtige Frankfurter gegen die Heidenheim Heideköpfe in einem Spiel, das den Namen „Nightgame“ klarer verdient hat als jedes andere, fünf Innings lang ausübte. Geplant war das in dieser Form eigentlich nicht; Decher kam schließlich erst zum zehnten Inning auf den Mound. Dass die Entscheidung erst im 14. Durchgang fiel, das war nicht unbedingt zu erwarten. „Meine Starter-Gewohnheiten haben mir geholfen“, sagt der Pitcher. „Fünf Innings machen mir nichts aus.“ Entgegen kam Decher natürlich, dass sich das anfangs offensivlastige Duell in den Extra-Innings zu einem klassischen Pitcherduell mit wenigen Runnern, wenigen Hits entwickelte. „Ich habe nicht viele Pitches werfen müssen“, sagt Decher. „Nur 54. Ich hätte hundert geschafft.“
Gerechnet hatte unser Siebener nicht mit einem so langen Spiel – gerechnet hatte er, genau genommen, überhaupt nicht. „Das darf man nicht“, erklärt er. „Fängt man an, hat man verloren. Man wirft einfach Inning für Inning.“ Die Mission in der Verlängerung ist eindeutig: „Man muss der Offensive die Chance geben, mit einem Run zu gewinnen“, erklärt Decher. „Das Hometeam darf daher in den Extra-Innings nichts mehr abgeben. Es geht einfach darum: Wer will, wer kämpft am meisten? Wir haben einen besseren Bullpen als Heidenheim. Es war wichtig, zu zeigen, dass sie gegen uns kein Bullpenduell gewinnen.“
Es war ein hochklassiger Zweikampf, bei dem die Angreifer beider Teams wenig mehr als Staffage waren. Als Decher ins Spiel kam, hatte das zehnte Inning bereits begonnen. James McOwen stand nach einem Walk an der ersten Base, es gab kein Aus. Dechers erster Pitch war ein Strike. Nach dem dritten Wurf ließ ein Fehler im Infield auch Simon Gühring auf Base. Ein Flyout, ein Strikeout (vier Pitches, kein Ball) und ein Groundout beendeten das Inning. Zwölf Pitches, nichts passiert.
Dechers Gegner, der Routinier Robert Gruber, der schon ab dem achten Inning im Spiel war und in seinen 33. Geburtstag hineinwarf, machte seine Sache aber nicht schlechter. Zehn Würfe, drei Flyouts, elftes Inning. In diesem holte sich Decher den Assist zum ersten Aus, erledigte Johannes Schäffler mit drei Strikes alleine und bekam nach seinem achten Wurf in diesem Inning von seinem Infield das dritte Aus. Gruber kam mit elf Pitches durchs Inning – Strikeout, Flyout, Groundout.
Fürs zwölfte Inning brauchte Decher wieder nur acht Würfe, aber zwischen den drei Flyouts kassierte er den ersten Hit. Gruber hatte unwesentlich mehr zu tun – Groundout, Strikeout, Flyout, wieder die ganze Palette, mit elf Pitches.
Das dreizehnte Inning dominierte Decher alleine. Drei Swinging Strikes, ein Foulball, zwei Looking Strikes, sechs Pitches insgesamt für zwei Strikeouts – als zweites erwischte er Robert Gruber. Neun weitere (Swinging Strike, Looking Strike, drei Balls, drei Foulballs, noch ein Looking Strike) fürs dritte. Gruber hielt die Bases mit zehn Würfen zum vierten Mal in Folge leer.
Erst jetzt leistete sich die Mainzer Defense leichte Wackler. Joel Johnsons Fehler ließ Schäffler auf die erste Base, Philip Schulz‘ Sacrifice Hit schob den Outfielder auf die zweite. Der vierte Pitch gegen Jay Pecci traf den Heidenheimer Ex-Profi am Bein – zwei Runner auf Base, ein Aus. Aber schon nach dem nächsten Pitch warfen Kevin Kotowski, Lennard Stöcklin und Johnson die Tür mit einem komplizierten Doubleplay zu.
Johnson eröffnete nun das entscheidende Inning mit einem Linedrive ins Leftfield – ein Double. Der Shortstop überstand auch den Pickoff-Versuch und kam durch Jonathan Wagners Sacrifice Hit eins weiter. Grubers Pitch ans Bein des gerade eingewechselten AJ Mackey gab auch den Heideköpfen die Chance, mit einem Doubleplay ein weiteres Inning zu erzwingen. Aber das Doubleplay ging schief, Pecci ließ an der ersten Base den Ball fallen, Johnson scorte, Decher gewann das Pitcherduell.
Wie geht es weiter? „Ich habe den Coaches versprochen, so viel Zeit in den Baseball zu investieren, wie ich kann“, erklärt Decher. Darauf basierend sollen Ulli Wermuth und Don Freeman die passende Rolle für den Pitcher definieren. „Welche das ist, das spielt für mich keine Rolle“, sagt dieser. „Ich kann starten, ich kann relieven. Das habe ich in der Nationalmannschaft schließlich auch schon gemacht.“
Dechers Kollege Mackey, der am Sonntag startete, kam bei seinem ersten Bundesligaspiel auf dem Mound zunächst gut zurecht. „Aber dann bin ich gegen die Wand gelaufen“, sagte der US-Amerikaner. „Ich war müde und habe ein paar Fehler gemacht, die die besseren Hitter ausgenutzt haben.“ Vom Jetlag spürte der Neuzugang, der erst vier Tage zuvor in Europa eingetroffen war, nicht mehr viel. „Meine Ausdauer ist eigentlich gut“, sagte Mackey, „aber es gibt noch Einiges zu verbessern. Ich werde bereit sein, auch gegen Haar zu starten, aber ob ich auch starten werde, müssen die Coaches entscheiden.“
Ulli Wermuth entschied bereits, dass Mackey auch als Hitter eine Option sein wird: „Er hat im Schlagtraining für Aha-Momente gesorgt“, sagte der Coach. „AJ hat zwar nicht die ganz große Power, aber er haut gute, harte Linedrives.“ Das Problem, das Wermuth und Freeman lösen müssen: Aufgrund seiner Nationalität konkurriert Mackey in der Offensive mit Joel Johnson und Mike Larson. Nur zwei dieser drei dürfen gleichzeitig eingesetzt werden. Johnson (am Wochenende bei zwölf Versuchen mit AVG .333 und SLG .417) wird als Shortstop gebraucht, Larson hat die ganz große Power. Man kann also gespannt sein. cka
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