Kotowskis erster Walkoff Hit

kk 09
2009 an der Sandflora…

Fangen wir doch einmal an mit einem Rückblick. Sommer 2009. Letzter Spieltag. Der erste ganz große Krimi unseres Bundesligateams nach der Deutschen Meisterschaft. Die Zutaten: Extremer Zugzwang. Außenseiterrolle. Überlänge. Dramatik bis zum Schluss.

Sieben Stunden alt ist der Doubleheader gegen die Heidenheim Heideköpfe. 2:7 haben wir das erste Spiel verloren. Das zweite müssen wir gewinnen, um in die Playoffs zu kommen, aber im neunten Inning steht es 1:2. Zwei Mann sind auf Base, zwei sind aus. Und Cae Santos hat die richtige Eingebung. Der Coach wechselt einen 18-jährigen Nachwuchsspieler als Pinch Hitter ein, einen jungen Catcher, der aber durchaus schon ein bisschen Erfahrung hat, schon ein paar Hits gehauen hat. Kevin Kotowski soll die Saison retten. Es ist unsere letzte Patrone. Schafft Kotowski es nicht, gibt es keine weitere Chance mehr.

„Kevin kam zu mir und hat gefragt, ob er auf den ersten Pitch schwingen darf“, erzählte Santos. „Ich habe ihm gesagt, dass er sich verschiedene Situationen vorstellen soll. Musst Du Läufer weiterbewegen? Hast Du jemanden in Scoring Position, den Du heimschlagen kannst? Oder musst Du nur selbst auf Base kommen? Er hat sich echt gut auf die Situation vorbereitet und sein Schlag hat gesessen.“ Der Ball flog durch die Lücke zwischen den Infieldern, sprang nahe an den Outfieldzaun. Martin Kipphan scort locker von der dritten Base zum 2:2, Jan-Niclas Stöcklin erkennt schon nach dem Start von der ersten Base, was alles möglich ist. Stöcklin stürmt von der zweiten Base weiter zur dritten, bekommt die Kurve, will alles. Es wird knapp. Mit den Füßen voran fliegt Stöcklin der Homeplate entgegen, gleichzeitig mit dem Ball. Wer zuerst da ist, ist schwer zu erkennen. Aber der Wurf kommt nicht perfekt, der Catcher lässt ihn aus dem Handschuh springen, während im Hintergrund Basecoach Ulli Wermuth verrückt wird. „Als ich an der Zwei war, habe ich zur Homeplate geguckt und gesehen, dass Janni angekommen ist“, sagte Kotowski damals, als es ihm gelungen war, sich nach seinem ersten und wichtigsten Walkoff Hit von den Mitspielern zu befreien, die sich an der zweiten Base auf ihn geworfen hatten.

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Kevin Kotowski unterwegs zur 3. Base – und einen Schlag später zum 1:1. Foto: sportausmainz.de/Eisenhuth

Zurück in die Gegenwart. In eine ähnliche Situation, wenn auch nicht ganz so dramatisch – die zweite Partie gegen die Stuttgart Reds am Freitagabend war längst nicht das letzte Saisonspiel. Aber wir waren im elften Inning und die Reds führten 2:1, als Kotowski an der ersten Base losrannte. Eigentlich ging es nur darum, sich die zweite zu stehlen. „Aber ich habe nach links geguckt und den Ball am Backstop gesehen“, sagte unser Centerfielder. „Keine Frage: Weiter.“ Weiter zur dritten Base. Sliden mit dem Kopf voran. „Dann hat der Catcher den Ball weggeworfen.“ An der dritten Base vorbei ins Outfield, worauf Basecoach Don Freeman und Kotowski schnell schalteten: Der Runner war sofort wieder auf den Füßen, sprintete durch zur Homeplate, kam rechtzeitig. Fast in einem Zug, unterbrochen nur von der kurzen Bauchlandung zu Freemans Füßen, scorte Kotowski von der ersten Base aus, ohne dass der Ball geschlagen werden musste. Der Ausgleich im zweiten Zusatzinning.

Manuel Möller machte kurzen Prozess mit der Reds-Offensive. Max Boldt eröffnete die untere Hälfte des zwölften Innings mit einem Double. Die Reds schickten Mike Larson mit einem Intentional Walk hinterher – und an dieser Stelle wagen wir noch einen Rückblick.

Sommer 2014. Heimspiel gegen die Reds, untere Hälfte des 10. Innings. Es steht 4:4. Lennard Stöcklin schlägt ein Leadoff Double, die Stuttgarter reagieren mit einem Intentional Walk für Andrew Jones. Beide Runner stehlen sich die nächste Base, worauf die Reds auch Julius Spann auf die erste Base bitten. Bases loaded, kein Aus, Mike Larson am Schlag. Genau die Situation, die man sich im Extra-Inning wünscht.

„Dann willst Du einfach nur ins Outfield hauen“, sagte wiederum im Frühjahr 2015 Kevin Kotowski. „Geduldig, nicht überaggressiv einen Pitch suchen, der ein bisschen hoch kommt.“ Larson nahm 2014 das Stuttgarter Geschenk an und gewann das Spiel mit einem Sacrifice Fly ins Rightfield.

2015 waren durch den Intentional Walk nur zwei Bases besetzt. Jonathan Wagner, 2014 noch Stuttgarter Catcher, legte einen nicht mal perfekten Bunt. Die Reds wollten das Play an der dritten Base machen, waren aber eine Winzigkeit zu langsam. Jetzt also Bases loaded, kein Aus. Und wieder ein junger, talentierter, aber noch nicht ganz ausgereifter Spieler am Schlag: der 20-jährige Timothy Kotowski, Kevins jüngerer Bruder.

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…und 2015 am Hartmühlenweg: Die ersten Walkoff-Hits der Kotowskis.

„Ich habe im Dugout zu Jules gesagt, dass das klappt“, erzählte der ältere Kotowski. „Ich weiß, dass Timmy ein guter Hitter ist. Ich war mir hundertprozentig sicher.“ Der Jüngere hatte die nötige Geduld, ließ zwei schlechte Pitches durch. „Ich habe mir keine Sorgen gemacht“, verriet er. „Das Schlimmste, was passieren konnte, wäre ein Groundball ins Doubleplay gewesen. Aber ich wusste: Sobald der Ball im Outfield ist, ist der Punkt drin. Ich war zuversichtlich, dass ich ihn reinbringe.“ Zu Recht: Timmy Kotowskis Schlag flog über die mittleren Infielder, fiel ins Centerfield, und als Boldt scorte, hatte das Dugout schon die restliche Mannschaft herauskatapultiert, diesmal, um sich auf den jüngeren Kotowski zu schmeißen. „Ich habe zum ersten Mal einen Walkoff Hit gehauen“, strahlte dieser später. „Das ist ein ganz schön geiles Gefühl.“

Und der ältere Kotowski, längst zum Nationalspieler gereift seit seinem Walkoff Hit gegen Heidenheim, war stolz auf seinen Bruder: „Es freut mich sehr für den Kleinen, ich gönne es ihm wirklich. Er hat so etwas noch nicht so oft gemacht, aber er wird kommen. So ein Hit ist sehr gut fürs Selbstbewusstsein.“

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Ein erfahrener Nationalspieler und ein hoffnungsvolles Talent: Kevin und Timothy Kotowski.

Timmy Kotowski, vor dieser Saison mit 94 At Bats in 31 Spielen durchaus kein völlig unerfahrener Spieler mehr, hatte die Saison an der ersten Base begonnen, aber in der Offensive gar nichts bewirkt: Null Hits, null Walks. Das zweite Spiel gegen die Haar Disciples, beide Partien in Regensburg und auch die erste Partie gegen die Reds fanden ohne ihn statt. Ulli Wermuth verglich die Situation mit einem Beispiel aus der Schule: „Man kann in den Mathearbeiten dreimal die Fünf schreiben. Aber wenn man in der vierten eine Eins schreibt, wird man trotzdem versetzt. Timmy hat sehr gut trainiert. Und dann geht er mit null Erfolg an die Platte und schlägt in der entscheidenden Situation den richtigen Hit. Das zeugt von Talent.“

Kevin Kotowski ist gut fünf Jahre nach seinem ersten Walkoff Hit ein sehr guter Bundesligaspieler geworden, ein Nationalspieler, zweitbester Hitter des aller Mannschaften bei der Europameisterschaft 2012. Nur ein Homerun fehlt ihm noch, sonst hat er in der Bundesliga alles geschafft. Mit 33 Runs war er 2014 unser gefährlichster Angreifer und auch in diesem Jahr steht er mit neun Runs in acht Spielen an der Spitze. Timmy Kotowski hat das noch vor sich. Wir freuen uns auf seine weitere Entwicklung. cka

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Kotowskis erster Walkoff Hit

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2009 an der Sandflora…

Fangen wir doch einmal an mit einem Rückblick. Sommer 2009. Letzter Spieltag. Der erste ganz große Krimi unseres Bundesligateams nach der Deutschen Meisterschaft. Die Zutaten: Extremer Zugzwang. Außenseiterrolle. Überlänge. Dramatik bis zum Schluss.

Sieben Stunden alt ist der Doubleheader gegen die Heidenheim Heideköpfe. 2:7 haben wir das erste Spiel verloren. Das zweite müssen wir gewinnen, um in die Playoffs zu kommen, aber im neunten Inning steht es 1:2. Zwei Mann sind auf Base, zwei sind aus. Und Cae Santos hat die richtige Eingebung. Der Coach wechselt einen 18-jährigen Nachwuchsspieler als Pinch Hitter ein, einen jungen Catcher, der aber durchaus schon ein bisschen Erfahrung hat, schon ein paar Hits gehauen hat. Kevin Kotowski soll die Saison retten. Es ist unsere letzte Patrone. Schafft Kotowski es nicht, gibt es keine weitere Chance mehr.

„Kevin kam zu mir und hat gefragt, ob er auf den ersten Pitch schwingen darf“, erzählte Santos. „Ich habe ihm gesagt, dass er sich verschiedene Situationen vorstellen soll. Musst Du Läufer weiterbewegen? Hast Du jemanden in Scoring Position, den Du heimschlagen kannst? Oder musst Du nur selbst auf Base kommen? Er hat sich echt gut auf die Situation vorbereitet und sein Schlag hat gesessen.“ Der Ball flog durch die Lücke zwischen den Infieldern, sprang nahe an den Outfieldzaun. Martin Kipphan scort locker von der dritten Base zum 2:2, Jan-Niclas Stöcklin erkennt schon nach dem Start von der ersten Base, was alles möglich ist. Stöcklin stürmt von der zweiten Base weiter zur dritten, bekommt die Kurve, will alles. Es wird knapp. Mit den Füßen voran fliegt Stöcklin der Homeplate entgegen, gleichzeitig mit dem Ball. Wer zuerst da ist, ist schwer zu erkennen. Aber der Wurf kommt nicht perfekt, der Catcher lässt ihn aus dem Handschuh springen, während im Hintergrund Basecoach Ulli Wermuth verrückt wird. „Als ich an der Zwei war, habe ich zur Homeplate geguckt und gesehen, dass Janni angekommen ist“, sagte Kotowski damals, als es ihm gelungen war, sich nach seinem ersten und wichtigsten Walkoff Hit von den Mitspielern zu befreien, die sich an der zweiten Base auf ihn geworfen hatten.

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Kevin Kotowski unterwegs zur 3. Base – und einen Schlag später zum 1:1. Foto: sportausmainz.de/Eisenhuth

Zurück in die Gegenwart. In eine ähnliche Situation, wenn auch nicht ganz so dramatisch – die zweite Partie gegen die Stuttgart Reds am Freitagabend war längst nicht das letzte Saisonspiel. Aber wir waren im elften Inning und die Reds führten 2:1, als Kotowski an der ersten Base losrannte. Eigentlich ging es nur darum, sich die zweite zu stehlen. „Aber ich habe nach links geguckt und den Ball am Backstop gesehen“, sagte unser Centerfielder. „Keine Frage: Weiter.“ Weiter zur dritten Base. Sliden mit dem Kopf voran. „Dann hat der Catcher den Ball weggeworfen.“ An der dritten Base vorbei ins Outfield, worauf Basecoach Don Freeman und Kotowski schnell schalteten: Der Runner war sofort wieder auf den Füßen, sprintete durch zur Homeplate, kam rechtzeitig. Fast in einem Zug, unterbrochen nur von der kurzen Bauchlandung zu Freemans Füßen, scorte Kotowski von der ersten Base aus, ohne dass der Ball geschlagen werden musste. Der Ausgleich im zweiten Zusatzinning.

Manuel Möller machte kurzen Prozess mit der Reds-Offensive. Max Boldt eröffnete die untere Hälfte des zwölften Innings mit einem Double. Die Reds schickten Mike Larson mit einem Intentional Walk hinterher – und an dieser Stelle wagen wir noch einen Rückblick.

Sommer 2014. Heimspiel gegen die Reds, untere Hälfte des 10. Innings. Es steht 4:4. Lennard Stöcklin schlägt ein Leadoff Double, die Stuttgarter reagieren mit einem Intentional Walk für Andrew Jones. Beide Runner stehlen sich die nächste Base, worauf die Reds auch Julius Spann auf die erste Base bitten. Bases loaded, kein Aus, Mike Larson am Schlag. Genau die Situation, die man sich im Extra-Inning wünscht.

„Dann willst Du einfach nur ins Outfield hauen“, sagte wiederum im Frühjahr 2015 Kevin Kotowski. „Geduldig, nicht überaggressiv einen Pitch suchen, der ein bisschen hoch kommt.“ Larson nahm 2014 das Stuttgarter Geschenk an und gewann das Spiel mit einem Sacrifice Fly ins Rightfield.

2015 waren durch den Intentional Walk nur zwei Bases besetzt. Jonathan Wagner, 2014 noch Stuttgarter Catcher, legte einen nicht mal perfekten Bunt. Die Reds wollten das Play an der dritten Base machen, waren aber eine Winzigkeit zu langsam. Jetzt also Bases loaded, kein Aus. Und wieder ein junger, talentierter, aber noch nicht ganz ausgereifter Spieler am Schlag: der 20-jährige Timothy Kotowski, Kevins jüngerer Bruder.

tk 15
…und 2015 am Hartmühlenweg: Die ersten Walkoff-Hits der Kotowskis.

„Ich habe im Dugout zu Jules gesagt, dass das klappt“, erzählte der ältere Kotowski. „Ich weiß, dass Timmy ein guter Hitter ist. Ich war mir hundertprozentig sicher.“ Der Jüngere hatte die nötige Geduld, ließ zwei schlechte Pitches durch. „Ich habe mir keine Sorgen gemacht“, verriet er. „Das Schlimmste, was passieren konnte, wäre ein Groundball ins Doubleplay gewesen. Aber ich wusste: Sobald der Ball im Outfield ist, ist der Punkt drin. Ich war zuversichtlich, dass ich ihn reinbringe.“ Zu Recht: Timmy Kotowskis Schlag flog über die mittleren Infielder, fiel ins Centerfield, und als Boldt scorte, hatte das Dugout schon die restliche Mannschaft herauskatapultiert, diesmal, um sich auf den jüngeren Kotowski zu schmeißen. „Ich habe zum ersten Mal einen Walkoff Hit gehauen“, strahlte dieser später. „Das ist ein ganz schön geiles Gefühl.“

Und der ältere Kotowski, längst zum Nationalspieler gereift seit seinem Walkoff Hit gegen Heidenheim, war stolz auf seinen Bruder: „Es freut mich sehr für den Kleinen, ich gönne es ihm wirklich. Er hat so etwas noch nicht so oft gemacht, aber er wird kommen. So ein Hit ist sehr gut fürs Selbstbewusstsein.“

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Ein erfahrener Nationalspieler und ein hoffnungsvolles Talent: Kevin und Timothy Kotowski.

Timmy Kotowski, vor dieser Saison mit 94 At Bats in 31 Spielen durchaus kein völlig unerfahrener Spieler mehr, hatte die Saison an der ersten Base begonnen, aber in der Offensive gar nichts bewirkt: Null Hits, null Walks. Das zweite Spiel gegen die Haar Disciples, beide Partien in Regensburg und auch die erste Partie gegen die Reds fanden ohne ihn statt. Ulli Wermuth verglich die Situation mit einem Beispiel aus der Schule: „Man kann in den Mathearbeiten dreimal die Fünf schreiben. Aber wenn man in der vierten eine Eins schreibt, wird man trotzdem versetzt. Timmy hat sehr gut trainiert. Und dann geht er mit null Erfolg an die Platte und schlägt in der entscheidenden Situation den richtigen Hit. Das zeugt von Talent.“

Kevin Kotowski ist gut fünf Jahre nach seinem ersten Walkoff Hit ein sehr guter Bundesligaspieler geworden, ein Nationalspieler, zweitbester Hitter des aller Mannschaften bei der Europameisterschaft 2012. Nur ein Homerun fehlt ihm noch, sonst hat er in der Bundesliga alles geschafft. Mit 33 Runs war er 2014 unser gefährlichster Angreifer und auch in diesem Jahr steht er mit neun Runs in acht Spielen an der Spitze. Timmy Kotowski hat das noch vor sich. Wir freuen uns auf seine weitere Entwicklung. cka

Dieser Text ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwendung, insgesamt oder in Teilen, bedarf der ausdrücklichen Zustimmung des Autors.

 

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