Bei seinem ersten Start der Saison 2015 hat Tim Stahlmann verloren. Das ist in zweifacher Hinsicht bedauerlich: Zum Einen – aber das ist nichts Neues – sind Siege immer besser als Niederlagen. Zum Anderen verdeckt das knappe 2:3 bei den Stuttgart Reds den starken Auftritt unseres Pitchers.
In einem sehr engen Spiel auf völliger Augenhöhe waren minimale Defizite in den drei Bereichen des Baseballs ausschlaggebend für die Niederlage: Zwei Errors in der eigentlich neun Innings lang sicheren Defensive, die unmittelbar zu zwei Runs führten. Ein einziger leicht zu hauender Pitch, den Germain Brunswick zur 1:0-Führung über den Outfieldzaun schickte – der erste von nur vier Hits, die Stahlmann in sechs Innings abgab. Und der Umstand, dass unsere Offensive zwar im gleichen Zeitraum sechs Hits hatte, drei weitere im letzten Drittel der Partie, aber nicht geballt genug, um mehr als zwei Runs zu kreieren – in einem fast schon traditionell an Runs armen Duell reichten den Reds ihre drei zum Erfolg. Das passt freilich zur Serie: In vier Partien scorten nur siebzehn Runner; mit 1:0, 3:2, 4:2 und 2:3 gehört uns der direkte Vergleich.
Auch das vierte Spiel hätten wir grundsätzlich gewinnen können. Zwei Rückstände glich unser Team aus, bis ins neunte Inning war es spannend. Vor dem letzten Aus hatten wir die Kotowski-Brüder auf der zweiten und der ersten Base; ein guter Schlag von Joel Johnson hätte den Ausgleich bringen können, ein Walk hätte für Peter Johannessen, nach ihm Max Boldt, als nächstem Mike Larson den Tisch mit drei Runnern gedeckt. Mehr als eine letzter Hoffungsschimmer war das jedoch nicht: Vom Walk zumindest waren wir weit entfernt; Hagen Rätz brauchte nur drei Pitches (Strike looking, Foul Ball, Strike Swinging) um Johnson auszustriken. Der hatte im ersten Spiel sogar ein Double gehauen, im gesamten Doubleheader zwei weitere Hits, aber in diesem letzten Inning klappte es nicht.
Dass es überhaupt diese Chance gab gegen die fehlerfreie Stuttgarter Defense mit ihrem starken Pitcher Eric Massingham, der acht Innings lang jederzeit den Strikeout parat hatte, wenn er ihn brauchte, hängt zu einem großen Teil mit unserem Starter zusammen. Mit 1,33 Strikeouts pro Inning hielt Tim Stahlmann nicht nur mit seinem Konkurrenten mit, er übertraf Massinghams (1,25 K/IP) sogar.
„Tim ist ein super Pitcher“, schwärmt unser Coach Ulli Wermuth vom 24-jährigen Stahlmann, einem von mehreren Spielern, die im Wohnblock hinter der Sandflora aufgewachsen sind und aus ihren Kinderzimmerfenstern den besten Blick auf die Bundesligaspiele früherer Athletics-Generationen hatten. „Eine Baseballratte“ nennt Wermuth unsere Nummer 3, „schon immer gewesen. Das hat er schon 2009 gezeigt, als wir die Deutsche Juniorenmeisterschaft gewonnen haben und er MVP wurde. Schon viel früher war er ein sehr vielversprechender Spieler und ein guter Baseballcharakter. Er hat alle Pitches, die er braucht. Die Herausforderung ist immer, ihn gesund zu halten.“ 2014 klappte das nicht; wegen diverser Blessuren kam Stahlmann in seiner sechsten Saison in der Bundesliga nur auf sieben Einsätze über insgesamt 8.2 Innings.
Obwohl er schon als Fünfjähriger zu den A’s kam, ist der Pitcher allerdings kein völlig Einheimischer, sondern von Geburt her ein Friese, zur Welt gekommen an der Nordseeküste in Wilhelmshaven. Nicht zum ersten Mal zeigte er in Stuttgart im fünften Inning, dass er eine gewisse nordische Coolness bewahrt hat. „Er bleibt immer eiskalt“, sagt Wermuth. „Aus dem Konzept bringt ihn garantiert nichts.“ Nicht mal der Umstand, nach zwei Walks und einem Error im Infield das 1:2 kassiert und Runner auf der zweiten und dritten Base zu haben – bei keinem Aus. Stahlmanns Reaktion auf die Drucksituation: durchaus auch ein paar Balls, aber unterm Strich ein Strikeout, noch ein Strikeout, noch ein Strikeout. Und Ende. Dabei sieben Looking Strikes.
Große Komplimente nimmt unser Pitcher nach solchen Situationen ungern an. Auf jegliche Heldentaten angesprochen, erklärt Stahlmann in der Regel, das sei nichts Besonderes. Sein Catcher habe die richtigen Pitches bestellt und er selbst halt seinen Job gemacht. Daher geht das Lob auch an den Ex-Stuttgarter Jonathan Wagner, den Strategen hinter der Platte, der Stahlmann die Kopfarbeit abnimmt, so dass dieser sich allein auf die Platzierung seiner Pitches konzentrieren kann. Aber ganz unterschlagen kann man den Pitcher nicht. Daher sieht auch Wermuth keinen Anlass zur übertriebenen Tiefstapelei: „Tim ist erst 24 Jahre alt. Er ist auf jeden Fall eine Option für die Nationalmannschaft, er hat auch das Zeug zum Everyday Starter. Alles ist möglich für ihn.“ 2013 war Stahlmann (und ebenso Nici Weichert) bereits als Mitglied einer Perspektivmannschaft bei einem Nationalmannschaftsturnier in Prag dabei; die Verletzungen des Folgejahrs ließen anschließend den Kontakt zur DBV-Auswahl zunächst abreißen.
Fester Teil der Nationalmannschaft ist seit Langem der knapp vier Jahre ältere Max Boldt. Unser Allrounder, der schon Pitcher war, Catcher wäre, wenn nicht dank Wagner kein großer Bedarf bestünde, und bis auf Shortstop in dieser Saison schon alle Infieldpositionen gespielt hat, machte in Stuttgart zwei runde Zahlen voll: Die erste Partie war sein 300. Bundesliga-Einsatz und sein harter Grounder ins Leftfield im zweiten Spiel, das zu seinem 1:1 führte, war sein 100. Double in der Bundesliga. „Max ist auch so jemand, der schon ewig Baseball spielt“, sagt Wermuth. Obwohl er auch noch relativ jung ist, hat er schon viel Routine. Und noch einige Jahre vor sich.“ cka
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