Die Welt ist doch manchmal komplizierter, als man meint. Und dann passiert’s, dass die routinierte Mannschaft, die gerade erst Regensburg und Heidenheim hochkant aus dem Stadion geschossen hat, gegen den Nord-Vierten, der mit etlichen U19-Spielern antritt, fürchterliche Probleme hat. Mit 2:3/6:4 ist unser Bundesligateam nicht so wie erhofft in die Playoffs gestartet; es hätte gegen die Paderborn Untouchables sogar noch schlimmer kommen können. Und schuld daran ist natürlich der Coach.
Jedenfalls sieht Ulli Wermuth selbst die Dinge so. „Der Paderborner Trainer hat vieles richtig gemacht, der von Mainz fast alles falsch“, sagte Wermuth. „Es fühlt sich an wie zwei Niederlagen, und die nehme ich auf meine Kappe.“
Ganz so schlimm war’s sicher nicht. Schon am Samstag im ersten Spiel machte unser Team sicherlich nicht alles richtig, aber es hätte reichen müssen für einen knappen Sieg. 2:0 stand es im vierten Inning nach einem Walk für Thomas de Wolf und einem Homerun von Max Boldt und 2:0 stand es immer noch, als das neunte Inning begann. Jan-Niclas Stöcklin, der anstelle des angeschlagenen Tim Stahlmann als Starter auf den Mound gestellt worden war, hatte gerade sechzehn Angreifer am Stück direkt zurück auf die Bank geschickt, sechs von ihnen per Strikeout, und von den anderen zehn hatte lediglich der 17-jährige Centerfielder Jerome Gipson den Ball aus dem Infield heraus gebracht – in den Handschuh von de Wolf.
Gut fünf Innings lang gab es also keinen Hit, keinen Walk, keinen Error, keinen einzigen Runner. Allerdings einen müden Pitcher. „Ich habe mir fast die Haare ausgerissen, als ich Janni im achten Inning nochmal rausgeschickt habe. Nach einem Inning vor zwei Wochen und vier Innings vor einer Woche war das zu viel.“ Ins neunte Inning ging Manuel Möller, der in der regulären Saison in etlichen Einsätzen viele Spiele gut über die Bühne gebracht, wenige Hits, wenige Walks abgegeben hatte. Seine Mission: das 2:0 verteidigen. Diesmal ging’s schief. Der Routinier fand die Strikezone nicht, hatte nach einem Walk und dem einzigen Error seiner Verteidiger schnell zwei Mann auf Base, schaffte dann das erste Aus.
Aber der Paderborner Coach Stefan Fechtig, einst wohl Möllers zehn Jahre älterer Vorgänger als einer der allerbesten Pitcher im Land, hatte noch seine Geheimwaffe: Den Kraftprotz Björn Schonlau hatte Fechtig seit ein paar Innings schon vorbereitet auf die Einwechslung in dem Moment, wo ein harter Hit richtig wertvoll sein kann. Jetzt kam der erfahrene Hitter ins Spiel. Hatte bald zwei Strikes (aber auch den Wild Pitch zum 2:1) gesehen. Und schlug schließlich den Homerun zur 3:2-Führung. „Mein Fehler“, sagte Wermuth. „Wir hätten ihn walken sollen.“ Immerhin folgten schnell das zweite und dritte Aus, und in der unteren Hälfte dieses letzten Innings das Aufbäumen. Lennard Stöcklin, der Runner zum 3:3, war bald auf der dritten Base. Aber der rettende Schlag fürs letzte Viertel des Runs kam nicht mehr.
„Das darf nicht passieren“, ärgerte sich der Infielder, der selbst mit seinem kleinen Fehler in einer Situation, die mit Glück sogar ein Doubleplay hätte werden können, zumindest ein Aus geworden wäre, Schonlaus Homerun erst ermöglicht hatte. „Bis ins neunte Inning hatten wir die ja fest im Griff. Das müssen wir eiskalt runterspielen.“ Aber wie Stöcklin stellte auch Wermuth klar: „Wir haben das nicht nur im neunten Inning verloren, sondern schon in den ersten acht. Matt Kemp war gut, Janni Stöcklin auch, aber wir hätten unsere Chancen besser nutzen müssen.“ Nicht erst in den letzten Szenen des Abends, sondern schon im fünften und sechsten Inning waren jeweils bei nur einem Aus Runner in aussichtsreicher Position, kamen aber nicht durch. „Wir hätten 6:0 führen können“, sagte Lennard Stöcklin, „aber so etwas passiert im Baseball. Man muss schnell darüber hinwegkommen.“
Paderborn Untouchables 0 0 0 0 0 0 0 0 3 3 Mainz Athletics 0 0 0 2 0 0 0 0 0 2
CF K. Kotowski, LF Johannessen, RF de Wolf (1 Run), C Boldt (1 Run/2 RBIs), DH Larson (9. DH Stover), 3B L. Stöcklin, 1B Kipphan (9. PH Wagner), 2B Dickman, SS Weichert – P J. Stöcklin (9. P Möller).
Im Sonntagsspiel führte unser Team wieder nicht 6:0, aber immerhin 5:0 nach drei Innings. Nici Weicherts Sacrifice Fly ins Leftfield hatte im zweiten Inning Mike Larson zur Führung scoren lassen und im nächsten Durchgang wurde es deutlich. Der bereits vor Weicherts Schlag für den jungen Starter Mark Harrison eingewechselte Benjamin Thaqi kassierte direkt zwei Basehits von Peter Johannessen und Thomas de Wolf – und weil sein Outfielder de Wolfs Schlag schlecht verarbeitete, kam der Belgier bis zur dritten Base und Johannessen zum 2:0 über die Platte. Max Boldt holte sich durch einen Walk die erste Base, de Wolf scorte durch einen Wild Pitch, Boldt nach dem Double von Larson – 4:0. Pitcherwechsel. Und ein perfekter Schlag von Lennard Stöcklin, der jenseits der ersten Base die Foul Line streifte, rechts außen in den letzten Winkel rollte – Triple für den Schlagmann, 5:0 durch Larson. Immer noch kein Aus. Aber im weiteren Verlauf des Innings halt auch kein 6:0 mehr. Der neue Pitcher, Routinier Eugen Heilmann, ließ nach Stöcklins Schlag nichts mehr zu.
Ein kurzer Durchhänger des bis dahin unüberwindbaren Eric Massingham im sechsten Inning brachte die Untouchables zurück ins Spiel: Zwei Singles und zwei Doubles unterbrachen eine Serie von fünf Strikeouts und reichten für drei Runs. Unsere Antwort kam schnell, wenn auch weniger deutlich: Double Lucas Dickman, Single Nici Weichert, wieder Pitcherwechsel. Ein Walk für Kevin Kotowski füllte die Bases, und weil nach dem Strikeout gegen Johannessen Thomas de Wolf den Ball übergeworfen bekam, rückten alle eins weiter – 6:3. Und zweites Aus und drittes Aus. Drei Mann waren noch unterwegs, keiner kam durch.
Manch einer wird überrascht gewesen sein, als Massingham im siebten Inning wieder auf den Mound kam. „Es war sein bestes Inning im Spiel“, sagte Wermuth, „darum habe ich ihn im achten wieder rausgeschickt. Das war keine gute Idee.“ Allerdings eine, die keinen großen Schaden anrichtete. Paderborn verkürzte nach zwei schnellen Aus auf 4:6, brachte wieder Geheimwaffe Schonlau an den Schlag, aber diesmal wollte Wermuth überhaupt gar nichts riskieren – Intentional Walk, Auswechslung, Schonlau war verbraucht und überstanden. Nach einem Fehler von Lennard Stöcklin waren die Bases zwar gleich wieder voll, aber Massingham machte mit einem Strikeout Schluss mit dem Inning und seinem Arbeitstag. Und wenn wir auch zwar Kevin Kotowski bis auf die dritte Base brachten, aber einen weiteren Sicherheitsrun versäumten, ließ auch Thomas de Wolf als Closer nichts mehr zu.
„Es war ein sehr hartes Spiel“, sagte Wermuth. „Das 5:0 hat sich komfortabel angefühlt, aber wir haben sie ins Spiel zurück gelassen.“ Erklärungen? „Es war natürlich ärgerlich, dass wir eine Woche lang nicht trainieren konnten.“ Das schlechte Wetter hat den Plan zerschossen. Würfe im Regen waren möglich, Schlagtraining in der Halle, aber kein Mannschaftstraining. „Damit wird es schwer, die Intensität aufrechtzuerhalten“, sagte Wermuth. „Vielleicht waren wir auch zu hochnäsig. Nicht konzentriert. Wir haben nicht mal 50 Prozent unserer Möglichkeiten abgerufen. Wir sind in den Playoffs. Da darf man nicht zugucken, was passiert. Ich hätte aggressiver und agiler sein, konsequenter und früher wechseln, neue Schlagleute, neue Impulse bringen müssen.“
Paderborn Untouchables 0 0 0 0 0 3 0 1 0 4 Mainz Athletics 0 1 4 0 0 1 0 0 - 6
CF K. Kotowski, LF Johannessen (1 Run), RF de Wolf (1 Run/1 RBI, 9. P), C Boldt (1/0), DH Larson (2/1, 9. RF), 3B L. Stöcklin (0/1), 1B Kipphan, 2B Dickman (1/0), SS Weichert (0/1) – P Massingham (9. P de Wolf).
Immerhin: „Viele Pitcher haben uns das Leben in dieser Saison schwer gemacht. Milliani, Roemer, Bolsenbroek, Trisl – aber alle nur einmal. Beim zweiten Mal haben wir sie geschlagen.“ Das ist die Kampfansage an Matt Kemp, das macht Hoffnung für die Rückspiele in Paderborn am kommenden Samstag und Sonntag. cka