„Ära“ ist so ein eingeschränkter Begriff. Eine Ära ist endlich, sie beginnt mit einem bedeutenden, alles nachhaltig verändernden Ereignis und endet mit dem Beginn der nächsten. Was am Sonntag in Regensburg zu Ende ging, war nicht einfach nur eine Ära, diesmal befinden wir uns in ganz anderen Dimensionen. Namen bestätigen das.
Der erste Trainer, der Manuel Möller in ein Bundesligaspiel geschickt hat, hieß Marc Wiedmaier. Das war in der Saison 2000. Möller hat unter J Osborne gespielt, unter Sheldon Sawatzki, unter Greg Frady, unter Zeke Mitchem. Vier Jahre unter Cae Santos, sechs unter Ulli Wermuth. Seine Catcher waren Stephan Kaus und Janusz Radicke, Joel Rodríguez und Flavio Rinaldi, Shu Sasaki und Raef Hobbs-Brown, auch mal Julian Aufenanger und Daniel Hayes, der junge Kevin Kotowski und Andreas Lastinger, Björn Johannessen und Andrew Jones, auch mal Tim Kotowski, Jonathan Wagner, zuletzt Max Boldt. Es sammelt sich einfach einiges an in 17 Jahren als Bundesligapitcher.
246 Spiele hat Möller für uns absolviert, sehr lange als Starter, ab 2011 meist als Reliever. 1127 Innings hat er geworfen und durchschnittlich weniger als einen Hit zugelassen, 5138 Battern gegenübergestanden, 988 von ihnen ausgestriket. 75 Wins stehen in seiner Bilanz. In Paderborn gibt es Eugen Heilmann mit ähnlichen Zahlen, bei den Mainz Athletics ist es einsamer Rekord, vielleicht ein Rekord für die Ewigkeit. Die Dominanz des ewigen Mainzers vor allem von 2002 bis 2008 lässt sich dadurch etwas relativieren, dass das generelle Niveau der Liga seither gestiegen ist. Dennoch werden sich seine Nachfolger in kommenden Generationen gewaltig strecken müssen, um Möllers Klasse zu erreichen.
Die Titel unseres Veteranen: Deutscher Meister der Schüler 1993, 1994, 1995 (jeweils als Spieler) und 1999 (als 16-jähriger Coach), Jugendmeister 1996, Juniorenmeister 1997, 2000 und 2001. 2000 bester Pitcher, 2001 bester Hitter des Turniers – eine Aufgabe, die Möller 2015 im Viertelfinale in Bonn nochmal hatte, als der frisch verheiratete Mike Larson noch auf der Autobahn war. Mit der Bundesligamannschaft wurde Möller nun zum zweiten Mal Deutscher Meister, 2004 und 2006 war er bester Pitcher der Bundesliga Süd, 2007 MVP der Südstaffel und der Playoffs.
„Im falschen Jahr“, sagte vor ein paar Jahren sein langjähriger Mitspieler Martin Kipphan. „In den fünf Jahren vorher hätte er immer MVP werden müssen. Weil immer klar war: Wir gewinnen wegen Manu. Unsere Offensive macht nicht mehr als drei, vier, fünf Punkte, der Manu macht die Gegner nieder. Wenn der sich verletzt, dann war’s das für uns. Hat man montags die Zeitung aufgeschlagen, war da ein Bild von Manu. Und das war auch richtig so.“ Überragend war Möller 2004 mit einer Earned Run Average von 1.23 in 95.1 Innings und 2006 mit ERA 1.22 in 111 Innings (14 Starts, 11 Wins, neun komplette Spiele) – eine Verletzung nagte zwischendrin an den 2005er-Statistiken.
Für die gegnerischen Angreifer war Möller unberechenbar. „Man wusste nie, was kommt“, sagte Radicke einmal. „Nichts, was er wirft, ist gerade. Sogar sein Fastball ist krumm und bewegt sich. Das ist kein Spaß für den Schlagmann.“ Daher war Möller bei vier EM-Turnieren und einem Olympia-Qualifikationsturnier auch in der Nationalmannschaft weit vorne in der Pitcher-Hierarchie gesetzt.
Nun hat der ewige Mainzer seine Karriere beendet, standesgemäß als Deutscher Meister, immerhin noch einmal mit sechs Innings in den Playoffs, einem im ersten Finalspiel. „Wenn Tim Stahlmann die Strikezone gar nicht gefunden hätte, wäre ich im vierten Spiel nochmal als Feuerwehrmann gekommen“, sagt Möller, die jüngere Generation aber hat’s alleine geregelt. Dennoch: „Das Ende habe ich mir gewünscht. Mein Trauzeuge Janusz hat es 2007 vorgemacht – besser kann man nicht aufhören.“
Alles andere als der Titel, sagt Möller aber auch, wäre für ihn eine große Enttäuschung gewesen: „Vielleicht klingt es hochnäsig, aber wir haben in der regulären Saison nur viermal verloren, wir haben unsere Dominanz bewiesen.“ Zwar seien die Umstände in den Playoffs, die Atmosphäre, der Druck, der auf den Spielern lastet, noch einmal anders, aber man habe es früh erkannt: „Wir hatten mit Jan-Niclas Stöcklin und Tim Stahlmann zwei Nationalmannschaftspitcher fürs erste Spiel und Eric Massingham fürs zweite. Eric war 2015 herausragend, hatte die zweitmeisten Strikeouts der Liga hinter unserem eigenen Janni. Wir wussten, was unser Pitching kann. Wir hatten eine gute Offense, und als auch noch Thomas de Wolf dazu kam, waren wir eigentlich nicht mehr zu stoppen.“
Vergleichen könne man die beiden Meisterschaften nicht. „Damals waren wir der Underdog“, erklärt Möller, „diesmal war es absolut konträr. Damals lagen wir 0:2 zurück, diesmal haben wir 2:0 geführt. Es sind zwei ganz unterschiedliche Mannschaften, der Vergleich lohnt sich nicht.“
Wenn er sich nun aber auch als Spieler zurückzieht: Manuel Möller wird weiterhin nicht nur auf der Tribüne, sondern auch auf der anderen Seite des Sicherheitsnetzes zu sehen sein. „Es ist schwierig, von 100 auf 0 zurückzuschalten“, sagt der Veteran. „Ich gehöre immerhin seit 1993 zu den A’s. Das wird sich auch nicht mehr ändern.“ Einmal in der Woche wird Möller als Assistenzcoach auf dem Platz sein, die Spiele wird er besuchen. „Wenn man nicht mehr mitspielt, nimmt das weniger Zeit in Anspruch“, sagt er, als voll berufstätiger Physiotherapeut braucht er nun mal mehr Zeit für andere Dinge.
Ganz verabschieden werden wir Manuel Möller an dieser Stelle also nicht. Auch ohne auf dem Mound zu stehen, bleibt er noch lange Zeit einer von uns. Für sein erstes knappes Vierteljahrhundert für die Mainz Athletics – das ist fast die komplette Historie unseres Vereins! – gebühren der Nummer 34 einstweilen die größten Komplimente. Und wir freuen uns darauf und darüber, dass wir unsere gemeinsame Erfolgsgeschichte noch über die eine oder andere weitere Ära fortschrieben werden mit dem Mann, der den Geist unseres Vereins mit aufgebaut hat und verkörpert wie wenige andere. cka / Fotos: Tanja Szidat