Er ist ja schon hart mit sich ins Gericht gegangen und mit seiner Mannschaft, unser Infield-Veteran Martin Kipphan. Der war schon damals, mit 25 Jahren, ein ganz erfahrener Baseballer, als er 2008 in Grosseto zum ersten Mal am Europapokal teilgenommen hat. „Davon erzähle ich heute noch“, sagt Kipphan. „Das war echt schlimm für mich. Dabei war es unser größter Erfolg, dort hinzufahren.“ Die Bedigungen waren halt nicht gut. Wichtige Spieler hatten mit dem Baseball ganz aufgehört oder zumindest den Verein verlassen. Janusz Radicke, der Imperator hinter der Homeplate. Ulli Wermuth, der flinke Leftfielder. Flavio Rinaldi, der Italiener im Infield. „Und dann ist schon vorher viel schief gegangen“, erinnert sich Kipphan. „Die Verstärkungen waren nicht so toll. Keigo Miyagi und Sascha Lutz waren verletzt.“ Andere haben keinen Urlaub bekommen, wir mussten mit einer Rumpftruppe in Italien antreten. „Und auch der Rest war nicht auf einem Hoch“, erzählt Kipphan. „Viele junge Spieler waren dabei, für die die Erfahrung super war, aber sie waren noch nicht bereit. Wir haben gegen Mannschaften gespielt, die eindeutig schlechter waren als wir. Die Belgier, die Franzosen, die Russen hätten wir schlagen können. Und wir sind hingefahren und haben jedes Spiel verloren.“ Das hat jahrelang an unserem Infielder genagt. Das war etwas, das Kipphan 2017, bei seiner zweiten Europapokal-Teilnahme, nicht noch einmal erleben wollte.
„Und es war viel besser“, sagt er. „Dabei sind wir wieder mit Bedenken hingefahren – nicht wegen der Qualität, sondern wegen der Tiefe. Wir kämpfen schon die ganze Saison damit, wenig auf dem Mound zu haben. Und da spielen wir nur zweimal am Wochenende und nicht fünfmal in einer Woche. Ich wusste nicht, wie wir das machen sollen.“Wir haben es gemacht, indem wir unsere beiden Starter dreimal eingesetzt haben: Tim Stahlmann am Mittwoch und Sonntag, Riley Barr am Donnerstag. Dazwischen mussten wir improvisieren. Das Spiel gegen Bologna gaben wir letztlich bewusst her mit den jungen, unerfahrenen Pitchern Yannic Wildenhain, Ben Briggs, Timmy Kotowski, die sich wacker schlugen, die ihre Aus schafften, die wertvolle Erfahrungen sammelten, aber nun mal von den italienischen Profis verprügelt wurden, denen auch die Unterstützung der Defensive völlig fehlte. „Ein paar Ergebnisse sehen schlimm aus“, sagt Kipphan, „auch in Spielen, in denen wir gut gespielt haben und unsere Linuep gegen Pitcher, die deutlich über Bundesliganiveau waren, richtig mitgehalten hat.“ Shutouts gab es keine, auch bei zweien unserer Niederlagen haben wir sieben bzw. acht Runs gescort, hätten mehr gescort, wenn nicht der eine oder andere hart und gut geschlagene Ball genau zum Verteidiger geflogen wäre – aber auch das gehört im Baseball zur Normalität. „Als wir keine Pitcher mehr hatten, haben Leute geworfen, die das so gut wie nie tun“, erklärte Kipphan, „und dann ist klar, dass es aus dem Ruder laufen kann. Aber selbst als gegen Rimini Jeff Hunt mit einer Erfahrung von zwei Bundesliga-Innings gestartet hat, und nach ihm Nici Weichert geworfen hat, der in der zweiten Liga dann gepitcht hat, wenn es gar nicht mehr anders ging, selbst gegen die hatten wir eine richtige Chance. Hätten wir Janni gehabt, hätten wir mit dem Abstiegsspiel nichts zu tun gehabt. Aber auch so war es durchweg ein Erfolg. Wir haben zwei Spiele gewonnen. Wir haben den späteren Europapokalsieger geschlagen. Das hat Grosseto für mich komplett vergessen gemacht.“
In jenes Schlüsselspiel gegen Neptunus Rotterdam ist die Mannschaft mit dem Bewusstsein gegangen, klarer Außenseiter zu sein. Und mit dem Ziel, sich gut zu verkaufen. „Und dass das so gut läuft…“, sagt Kipphan. „Wir sind mit dem Starter gut zurechtgekommen. Das macht viel aus.“ Dabei war der junge Mann auf dem Mound zwar kein Stammspieler beim niederländischen Rekordmeister, aber einer, für den sich die Scouts sehr interessiert haben. „Die standen da mit dem Radargerät und haben 91 Meilen gemessen“, erzählt Kipphan. „Die Bundesligapitcher, die das können, kann man an einer Hand abzählen. Aber wir haben gut gehauen gegen ihn. Und Riley hat eine Riesenleistung gebracht. Die haben ihre Punkte erst am Ende gemacht, als er in Pitchcount-Sphären angekommen ist, die er in denen er sonst nicht ist.“ Max Boldt hätte den Starter auswechseln können, Riley Barr wollte weitermachen. „Wenn der auf dem Mound ist, ist er zu hundert Prozent competitive“, sagt Kipphan, „dann gibt er alles.“ Dann bekommen auch die Allerbesten Probleme.Die Mannschaft hat darüber diskutiert, wer der stärkste Gegner, wer der beste Pitcher war, gegen den sie antreten musste. „Wir konnten uns nicht einigen. Einige fanden Mike Bolsenbroek am Stärksten. Ich hatte mit dem Starter der Franzosen die größten Probleme. Überraschend war, dass wir gegen den schlechtesten Pitcher“ – einen der Neptunus-Reliever – „keinen Punkt gemacht haben. Aber das ist die Geschichte unserer Saison, das passiert uns öfter.“
Das wichtigste Resultat des Europapokals – neben dem Sensationssieg gegen den späteren Pokalgewinner Neptunus – ist für Kipphan das Selbstvertrauen, das die Mannschaft aus Regensburg mitnehmen konnte. „Am Wochenende spielen wir gegen Haar, da kommt mit Ryan Bollinger möglicherweise der beste Pitcher, der je in diesem Stadion gespielt hat“, sagt Kipphan. „Und wir können mit Selbstvertrauen antreten. Mit Selbstbestätigung. Wir wussten vor einem Jahr, dass wir jeden schlagen können. Jetzt haben wir gesehen, dass wir das trotz der Abgänge von vielen Spielern und von zwei Trainern weiterhin können. Qualitativ sind wir extrem gut, aber halt extrem dünn. Wir hatten Nici, Max, Jeff auf dem Mound. Peter Johannessen und Marcel Schulz hatten Probleme mit dem Fuß und mit der Schulter und haben trotzdem etliche Innings im Outfield gespielt. Wir wissen: Wenn einer ausfällt, dann wird es ein Seiltanz.“
Und so sieht’s dann auch der Präsident, sieht’s Hartmut Schäfer: „Die Mannschaft hat sich hervorragend geschlagen!“ Im Vorfeld sei auch ihm klar gewesen: Gegen die Dominanz der beiden Profiligen würden wir nicht durchkommen. „Vom Sieg gegen den Pokalsieger können wir aber längere Zeit erzählen“, sagt Schäfer.
Im Ergebnis sieht unser Präsident die Leistungsstärke des Vereins und der Mannschaft bestätigt: „Das ist ein deutliches Ausrufezeichen, dass wir kein Knuddelverein sind, sondern im Rahmen unserer finanziellen Möglichkeiten einiges auf die Beine gestellt haben. Uns fehlt lediglich das Geld, um auch in die Tiefe zu bauen. Da haben die Italiener und die Niederländern auch durch eine ganz andere Förderpolitik viel bessere Bedingungen. Im deutschen Baseball liegt noch viel Arbeit vor uns, um an diese beiden Ligen heranzukommen. Unser Sieg gegen Neptunus zeigt, dass es möglich ist.“ cka / Fotos: Tanja Szidat