Die Sonne war schon untergegangen, dort auf dem elfdreiviertelsten Längengrad, als sich um kurz vor neun Uhr im Schutze der Dunkelheit Nici Weichert von der dritten Base aufmachte. Kevin Kotowski war der Köder, der mit einem verhaltenen Start am anderen Ende des Infields die Verteidiger, den Ball, den Rundown auf sich zog, und dass noch ein anderer Runner unterwegs war, erkannten die Haar Disciples womöglich zu spät, darauf reagierten sie nicht, sie versuchten, mit dem Play gegen Kotowski das neunte Inning zu beenden und schafften es nicht rechtzeitig. „Mike Blanke“ – der gerade am Schlag stand – „hatte zwei Strikes“, erklärte Max Boldt. „Ich wusste, dass es bei dem Licht schwierig wird, ein gutes At Bat zu haben, dafür war es einfach zu dunkel. Unsere Hoffnung war, dass Kevin mit einem Early Steal, bevor der Pitch unterwegs ist, den Pickoff an die Zwei locken kann und Nici durchkommt.“ Nici kam durch, erreichte die Homeplate mehr als eine Millisekunde vor dem Aus gegen Kotowski, „aber da waren auch keine drei Sekunden dazwischen“, sagte Boldt. „Viel Zeit hätten wir uns dabei nicht mehr lassen können.“
Der Run zählte. 8:7 stand es in einem Spiel, in dem wir bereits 0:1 zurückgelegen und noch im siebten Inning 7:1 geführt hatten. 8:7, und nur drei Aus fehlten noch zum Sweep. Der für diese drei Aus auf den Mound gewechselte Allrounder Timmy Kotowski warf schon mit dem ersten Pitch den ersten Angreifer ab, der es mit einem Sacrifice Hit und einem Steal auf die dritte Base schaffte. Kurz war es kritisch, ein Aus, Runner auf der Drei, jeder Schlag ins Outfield hätte den Ausgleich gebracht. Und Kotowski warf im dunklen Ballpark von da an nur noch Strikes, vollendete mit einem Pitch den ersten Strikeout, schickte mit drei Pitches den letzten Angreifer weg, sicherte den zweiten Sieg eines auf die Minute genau acht Stunden langen Baseballtages.
„Das hätte in jede Richtung ausgehen können“, sagte Boldt. „Vor dem neunten Inning haben die Umpires mit uns Coaches gesprochen und wir haben vereinbart, das neunte Inning auf jeden Fall komplett zu spielen, damit es anschließend gar keine Diskussionen geben kann. Zum Glück hat es funktioniert. Es hätte auch schief gehen können.“
Die wilde Partie war trotzdem die erste, ein Vier-Stunden-Ungetüm mit 40 Hits, 32 Runs, zwei Vier-, einem Sechs-, einem Sieben-Punkte-Inning. „Wir haben zu viel zugelassen“, sagte Boldt. „Aber auch viele Punkte gemacht. Dass es so knapp wird, ist sehr ungewöhnlich. Normal ist das eine einseitige Geschichte, wenn man 18 Runs macht.“ Normalerweise ist das ein Zeichen für einen erheblichen Qualitätsunterschied und das Spiel endet zum Beispiel 18:4. Den Qualitätsunterschied gab es, aber er lag nicht zwischen den Disciples und den Athletics, sondern teamübergreifend zwischen dem Hitting und dem Pitching, und das war zu erwarten, an so einem Mittwochs-Doubleheader zwischen zwei Wochenends-Spieltagen.
Lennard Stöcklin eröffnete die Partie, gab im ersten Inning einen Run ab und nach unserer 5:1-Führung im dritten Inning sechs weitere, alle ohne Error in der Verteidigung, alle earned. „Schwierig zu sagen, woran das liegt“, versuchte Boldt dem ungewöhnlich wackligen Auftritt des Starters auf die Spur zu kommen. „Die Offspeed-Pitches kamen nicht so wie sie normalerweise kommen. Lenny musste mehr mit dem Fastball arbeiten, und darauf kann sich der Gegner einstellen. Aber ich will das nicht überanalysieren. Wir werden im Training daran arbeiten, dass er die Breaking Balls wieder gut kontrolliert, dann wird er auch wieder zurückkommen.“ Yannic Wildenhain übernahm, machte die Sache gut, hatte im fünften Inning Pech, dass einer von zwei Runs durch einen Error durchkam, ging dann im sechsten Inning runter, als die Disciples unsere 13:9-Führung ausglichen. Mike Otto schaffte knapp drei Innings, so viele am Stück wie nie zuvor seit seinem Comeback, ohne Runs, während wir unsererseits fünf Punkte drauflegten. Gegen Ben Briggs verkürzten die Disciples noch einmal auf 14:18, Timmy Kotowski beendete mit zwei schnellen Aus das Spiel.Natürlich war Boldt damit nicht glücklich. „Die Pitcher hatten nicht ihren besten Tag“, sagte der Coach. „Haar hat 21 Hits und 14 Runs. So etwas wollen wir nicht zulassen. Vielleicht waren wir nach dem Wochenende noch nicht wirklich wiederhergestellt. Haar hatte aber auch nicht das beste Pitching. Die üblichen Starter haben nicht viel geworfen, das kam uns zugute.“ Das Gefühl, das Spiel aus dem Bullpen heraus gewinnen zu können, sofern der Rückstand nicht zu groß wird, war beim Stand von 5:7 nach drei Innings und 6:9 nach fünf Innings da. „Wir mussten einfach gucken, dass wir im Spiel bleiben“, erklärte Boldt, „dass wir das Ergebnis einigermaßen knapp halten. Ich habe der Offensive vertraut, dass wir den Rückstand umdrehen können. Gerade weil man gesehen hat, dass Haar versucht hat, die Pitcher zu schonen, gebe ich so ein Spiel nicht auf.“
Und die Offensive lieferte zu jeder Zeit. Und sie lieferte etwas weniger Hits, als die Disciples hatten, aber deutlich bessere Hits. Während drei Viertel der Haarer Treffer Singles waren, hielt unser Angriff sich nicht mit Kleinkram auf, schlug nur sechs einfache Basehits, dafür nicht weniger elf Doubles, alleine drei von Mike Blanke für fünf RBIs. Dazu kam ein 3-RBI-Triple im sechsten Inning von Max Boldt selbst, der vorher am Schlag nicht viel erreicht hatte, im siebten und achten Durchgang dafür noch zwei 2-RBI-Doubles schlug, dazu kam ein Solo-Homerun von Peter Johannessen, der ebenfalls noch zwei Doubles nachlegte, im zweiten Inning zum Ausgleich. Zwei Singles und zwei Doubles (Blanke und Johannessen) brachten uns im dritten Inning 5:1 in Führung, Kevin Kotowskis Basehit und Blankes zweites Double brachten uns im dritten auf 6:7 heran, und im wilden siebten Inning holten wir uns die Führung zurück. Victor Voll und Nici Weichert eröffneten das mit zwei Basehits, Kevin Kotowski holte sich den Walk. Blanke schlug mit seinem dritten Double die ersten beiden Runner heim, Austin Gallagher bekam den Intentional Walk, Boldt räumte mit seinem Triple die Bases wieder leer. Jetzt erst gelang den Disciples das erste Aus. Boldt scorte nach Kipphans Double zum 12:9, Kipphan nach Weicherts nächstem Basehit zum 13:9. Und nach dem Ausgleich ging es einfach ungebremst weiter: Walk für Blanke, Double von Gallagher, 2-RBI-Double von Boldt, RBI-Double von Johannessen. Weitere Doubles von Weichert und Boldt brachten im achten Inning das 18:13, nur Kipphans zweites Double im neunten Inning war letztlich wertlos. „Wir haben halt eine gute Offensive“, sagte Boldt, „wir können zurückkommen. Das zeigt den Charakter der Mannschaft. Auch wenn es mal ein paar Innings nicht gut läuft, lassen wir uns nicht unterkriegen. Ich hoffe, dass das jetzt der Durchbruch war. Schon im zweiten Spiel gegen Ulm waren wir sehr gut, gegen Mannheim nicht mehr ganz so, aber heute haben wir gezeigt, was wir können. Und ich glaube nicht, dass es einfach ein Ausrutscher ins Positive war. Ich weiß, dass wir das können. Ich war nicht überrascht davon.“Im zweiten Spiel jedoch musste die gute Offensive ohne Austin Gallagher auskommen, der beim Fielden eines Foulballs in den seitlichen Zaun gelaufen war. Dennoch gingen wir nach und nach immer deutlicher in Führung. Möglich machte das insbesondere der herausragende Pitcher Thomas Fitzgerald. Der hatte im ersten Inning noch seine Schwierigkeiten, die Strikezone zu finden, warf drei Walks, dennoch ging der einzige Run nicht auf ihn – ein Error hatte ihn erst möglich gemacht.
Mehr als dieser eine Punkt gelang den Disciples in einer so luxuriösen Situation nicht; das erste Aus war bereits ein Strikeout gewesen, das zweite war ein Play an der Homeplate von Fitzgerald und Catcher Blanke, das dritte wiederum ein Strikeout, ebenfalls das vierte, fünfte, sechste, mit denen Fitzgerald das zweite Inning sehr kurz hielt. Im dritten und vierten hatten die Disciples ihre ersten Hits und brachten trotzdem nur jeweils drei Mann an den Schlag: Ihr Catcher, der mit einem Single, einem Steal und einem Wild Pitch zur dritten Base weiterkam, verzählte sich, musste nach Peter Johannessens Catch im Rightfield, das gar nicht das dritte, sondern erst das zweite Aus war, von der Homeplate den ganzen weiten Weg zurück an die dritte Base, kam nicht rechtzeitig. Der Rightfielder der Disciples wollte nach seinem Double Nici Weichert irritieren, lief in einen Grounder, wurde vom geschlagenen Ball getroffen. Und der, der den Ball geschlagen hatte, ließ sich beim Stealen erwischen. Zwischendrin hatten Johannessen (Walk), Timmy Kotowski (Triple) und Victor Voll (Sacrifice Fly) den Zwischenstand auf 2:1 gedreht. Weil Weicherts Single, Boldts RBI-Double, Johannessens Walk, Kipphans RBI-Double und Timmy Kotowskis 2-RBI-Basehit im fünften Inning vier weitere Runs gebracht, Johannessen im siebten Inning, als das Pitching der Disciples zusammenbrach, aus drei Abwürfen und einem Walk das 7:1 montiert hatte, sah Spiel zwei gegen Ende wie eine halbwegs klare Sache aus. „Und dann nicht mehr“, wunderte sich Boldt. Denn gegen den erneut eingewechselten Wildenhain (2), vor allem aber gegen Tim Stahlmann (5) schafften die Disciples sieben Hits am Stück, darunter ein Double, ein Triple und und einen 3-RBI-Homerun. „Das muss man auch sagen“, stellte Boldt klar, „Haar hat nicht aufgegeben. Die haben immer weiter gekämpft und einen guten Job gemacht. Unsere Pitcher hatten es nicht leicht. Ein paar Pitches waren nicht so ausgeführt, wie wir das gerne machen wollen, aber es war auch einfach eine gute Leistung von ihnen, es noch einmal so spannend zu machen. Darum war es wichtig, dass wir uns bei den Lichtbedingungen, die am Ende nicht mehr so gut waren, noch so einen Run erschummeln konnten.“Weichert hatte diesen Run gegen den spät eingewechselten nominellen Starter der Disciples mit einem Single bei zwei Aus eingeleitet. Die zweite Base hatte der Shortstop gestohlen, die dritte hatte er beim Walk für Kevin Kotowski gestohlen. Und die Homeplate, als dieser die Verteidigung ablenkte.
Was diese acht Stunden Baseball für den bereits morgen beginnenden Spieltag bei den Heideköpfen bedeutet, müssen wir abwarten. Ob Gallagher wieder dabei sein kann, werden wir sehen, wie frisch die Pitcher (beider Teams) sein werden, werden wir sehen. Die langen Fahrten sind sicherlich kein Vorteil, zumal die gestrigen Auswärtsspiele der Heideköpfe im gerade mal gut 30 Kilometer entfernten Ulm stattfanden. Um das zu kompensieren, kam nur unsere halbe Mannschaft gestern Nacht nach Mainz zurück; jeder, der sich frei nehmen konnte, blieb in München und wird von dort aus in aller Ruhe direkt nach Heidenheim kommen.„Ein bisschen Luft haben wir“, sagt Boldt, „da muss man mal gucken, wie der Plan sein wird. Tim wird sicherlich anfangen, und dann schauen wir, wie das läuft. Ich bin kein großer Freund davon, irgendwelche großen Pläne aufzustellen, weil es im Spiel ja eh anders kommt, als man es gerne hätte. Wir nehmen ein paar junge Pitcher mit. Die erste Priorität ist, dass sich niemand verletzt. Die zweite ist, dass wir die Spiele knapp halten, um die Chance zu haben, sie zu gewinnen.“ Es wird (mit Ausnahme des offenen Nachholspiels gegen die Tornados, das wohl erst im Juni stattfinden wird) der Abschluss der Hinrunde. Von elf Spielen haben wir bisher zehn gewonnen. Die Tabellenführung wird auf jeden Fall, bei jedem Ergebnis, über den Spieltag hinweg halten. cka / Fotos: cka, Steffen Marg, Claudia Tepe