So ausgesehen hat’s schon, als könnte die Serie enden, als wären die Dohren Wild Farmers als erste Mannschaft seit etlichen Monaten in der Lage, am Hartmühlenweg die Mainz Athletics zu schlagen. Dank eines herausragenden Pitchers, des Linkshänders JP Stevenson, der immer mal Hits abgab, aber auch in jedem Inning (außer dem ersten) seine Strikeouts warf, dank einer funktionierenden Defensive, vielleicht auch dank des gelegentlichen Übermuts unserer Runner, und dank gar nicht mal so vieler Momente offensiver Effizienz. Ein Wurffehler und ein Schlag zum Flyout ins Leftfield im vierten Inning, zwei Back-to-Back-Solo-Homeruns im sechsten, deren erster keine zwei Zentimeter kürzer hätte sein dürfen – der Ball sprang auf dem Zaun auf und nach hinten weg, der Verteidiger stand darunter – das reichte für eine 3:0-Führung.
Aber es hat ja Gründe, dass wir seit August 2018 alle unsere Heim- und fast alle Auswärtsspiele gewonnen haben. Einer ist der Bullpen, der es erlaubt, einen müde gewordenen Starter jederzeit durch einen anderen Starter von gutem Bundesliganiveau zu ersetzen. Einer ist die Offensivqualität, die nicht in jedem Inning sichtbar wird, die aber nie weit weg ist, die immer auf ihre Chancen lauert, die nicht viele Chancen braucht. Und einer ist das Wissen um beide Faktoren, die manch einen unserer nunmehr 26 Saisonsiege in der Schlussphase ermöglicht haben. Wir wissen: Solange die Pitcher uns im Spiel halten, muss man auch vor einem späten Rückstand keine Angst haben. Auch im neunten Inning kann man den noch drehen.Im zweiten Viertelfinalspiel gegen die Wild Farmers geschah das schon im achten. Stevenson hatte in seinen sieben Innings nur ebenso viele Runner, von denen es nur zwei über die erste Base hinaus und keiner zurück zur Homeplate schaffte, aber der junge Kanadier war nach 112 Pitches (67% Strikes) abgenutzt, musste raus. Sein Reliever schaffte noch mit nur drei Würfen das erste Aus im achten Inning, schickte dann Kevin Kotowski und Peter Johannessen mit zwei Walks auf die Bases. Nicht ohne Gegenwehr – insbesondere Johannessen musste hart arbeiten, musste Foulballs schlagen, ehe er endlich losgehen durfte. Und dann ging’s auf einmal schnell. Austin Gallagher schlug seinen ersten Pitch zum Basehit nach rechts, Max Boldt seinen ersten zum RBI-Single nach links. Mike Blanke ließ den ersten Pitch als Ball durchgehen, bekam den zweiten an den Arm und schob die drei Runner zum 2:3-Anschluss weiter. Und Dominick Golubiewski sah sich ebenfalls nur einen Pitch – einen Strike – an, traf den zweiten dann perfekt. Hart die Linie entlang flog sein Schlag zum 2-RBI-Double ins Leftfield, Gallagher und Boldt scorten zum 4:3. Und Victor Voll, nach dem zweiten Aus des Innings ebenfalls vom Ball getroffen, füllte die Lücke an der ersten Base wieder.
Die zweite Chance also für Nici Weichert, der früher im Spiel bei zwei Aus und leeren Bases einen letztlich wertlosen Basehit geschlagen, der als Leadoff des achten Innings diesen Drei-Pitches-Strikeout kassiert hatte, der die Chance überragend nutzte. „Ins Rightfield, über den Rightfielder, ein bisschen seitlich“, sagte Weichert, kam sein Schlag. „Ich sehe ihn die ganze Zeit.“ Der Shortstop sah, wie der Outfielder den Ball noch im Sprung zu erreichen versuchte, wie er ihn verpasste, wie er erst wieder auf die Füße kommen musste, während Blanke scorte, während ihm Golubiewski scorte, während mit etwas größerem Abstand auch Voll scorte und Weichert gar nicht erst auf die Signale des Basecoaches achtete – „wenn ich den Ball selbst sehe, entscheide ich selbst“ – und bis zur dritten Base durchsprintete. Das Base Clearing Triple bedeutete die 7:3-Führung und machte, weil die Wild Farmers im neunten Inning noch einen weiteren Solo-Homerun schlugen, der wieder auf den Zaun und nach außen hüpfte, am Ende den Unterschied. 7:4, der zweite Sieg im zweiten Spiel der Serie. Durch einen Kraftakt unter durchaus schwierigen Bedingungen.Denn das Thermometer zeigte inzwischen 38 Grad an und Schatten gab es auf dem Feld nirgends. „Wir hatten schon schlimmere Spiele“, relativierte Weichert zwar, „aber warm war’s schon.“ Max Boldt, der als Designated Hitter wesentlich geringer belastet war als die Feldspieler, kümmerte sich längst persönlich ums Catering auf dem Platz. „Schon für mich war das Spiel unglaublich anstrengend“, sagte Boldt, „und ich war ja die meiste Zeit im Dugout. Hut ab vor den Feldspielern, vor den Pitchern, vor den Schiedsrichtern, die ja die kompletten Innings in der Sonne standen.“ In Leerlaufphasen trug der Coach den Unparteiischen die Wasserflaschen auf den Platz, Weichert brachte er nach seinem 90-Meter-Sprint um die Bases ein nasses Handtuch zur Abkühlung, während die Wild Farmers den Pitcher noch einmal auswechselten. Die Energiereserven waren verbraucht nach dem Spiel, die Akkus so leer, dass die übliche Platzpflege auf Dienstag verschoben wurde.
Schon das erste Spiel am Vorabend war anstrengend. „Gar nicht so sehr wegen der Temperaturen“, erklärte Martin Kipphan, „im Schatten ging das.“ Aber wer in der Sonne stehen musste, fühlte sich da nicht gut.
Auch in jener Partie gingen die Wild Farmers halbwegs früh in Führung. Kipphan brachte im dritten Inning einen krummen Schlag nicht unter Kontrolle, „vom Ende des Schlägers, ich habe versucht, ihn mit dem Körper zur Base hin zu blocken“, Tim Stahlmann schaffte mit Kipphan zusammen das erste und per Strikeout das zweite Aus, gab dann aber ein RBI-Double zum 0:1 ab. Diesmal aber kippte das Spiel früher. Schon im vierten Inning hatte es Max Boldt bis auf die dritte Base geschafft. Das fünfte begann mit einem Strikeout, dann ergaben Nici Weicherts Basehit, der Walk für Kevin Kotowski und Peter Johannessens Double den Ausgleich. Ein Intentional Walk für Austin Gallagher besetzte die letzte freie Base, Max Boldts Double brachte alle drei Runner zum 4:1 durch. Mike Blanke schob den Coach mit einem Basehit weiter, ein Wild Pitch gab Boldt die Gelegenheit zum 5:1. Die Wild Farmers konterten noch einmal mit einem Solo-Homerun im sechsten Inning, auf den Austin Gallagher mit einem 2-RBI-Homerun antwortete, der noch Johannessen mit ins Ziel nahm. In den verbleibenden drei Innings gaben Stahlmann, Yannic Wildenhain und Mike Otto noch jeweils einen Leadoff-Hit ab, aber gefährlich wurde es nicht mehr.„Es war ein guter Anfang für die Playoffs“, sagte Boldt. „Dohren hat uns sehr gefordert. Wir bekamen nichts geschenkt, mussten uns alle Runs erarbeiten, so ist das in den Playoffs. Wir haben gezeigt, dass wir uns von Rückständen nicht aus dem Konzept bringen lassen. Wir haben die Nerven behalten, nicht aufgegeben, das ist wichtig.“ Am kommenden Samstag und, wenn nötig, am Sonntag geht es in Dohren weiter. „Wir führen 2:0“, sagte Boldt, „aber wir dürfen uns nicht zu weit aus dem Fenster lehnen. Auch dort werden sie uns das Leben schwer machen.“ Weichert hofft natürlich, die Serie schnell abzuschließen: „Wir gehen dort ins erste Spiel und versuchen, es zu gewinnen. Wenn das nicht gelingt, dann das nächste.“ Einen Sieg brauchen wir noch, drei Versuche haben wir. „Wir gehen das Spiel für Spiel an“, sagt Weichert. Text und Fotos: cka