Zusammenfassung
Um 19.03 Uhr begann für die Mainz Athletics am Samstagabend die Bundesligasaison 2015. Um fünf Minuten nach Mitternacht war das erste Kapitel vorbei. Fünf Stunden und zwei Minuten, vierzehn Innings lang, tobte die Schlacht um den ersten Sieg zwischen unserem Team und dem Deutschen Vizemeister. Dann schlug Kevin Kotowski den letzten Ball, kam Joel Johnson an der Homeplate an, verpatzten die Heidenheim Heideköpfe an der ersten Base das Doubleplay, das die Partie ins 15. Inning gebracht hätte. Und wir hatten 10:9 gewonnen.
Fünf Stunden und zwei Minuten, das wollte unser Coach erst gar nicht glauben. „So lang?“, fragte Ulli Wermuth. „Ja, das ist lang.“ Adrenalin? „Es geht“, spielte Wermuth seinen inneren Zustand erst einmal herunter. „In jedem der letzten fünf Innings hätten wir gewinnen können. Wir hatten harte Schläge, aber halt direkt auf die Leute. Das ist das Spiel. Und am Ende lässt der den Ball fallen und wir gewinnen durch den zweiten Error von Heidenheim. Ein super Spiel. Und ich merke: Das Adrenalin ist doch noch da.“
Frühe Punkte
Beide Teams brachten früh erste Runs aufs Scoreboard. Die Heidenheimer gingen durch ihren erfahrenen Infielder Jay Pecci, Ex-Profi der Oakland Athletics, sofort 1:0 in Führung, aber unsere Offensive schlug umgehend zurück: Kevin Kotowski wurde von einem Pitch getroffen und stahl die zweite Base. Marcel Schulz brachte den Centerfielder mit einem langen Basehit zum Ausgleich durch, stahl ebenfalls die zweite Base. Und nach Mike Larsons Flyout ins Rightfield scorte auch Schulz durch ein Standup Double von Max Boldt an den Leftfieldzaun. 2:1.
Im zweiten Inning passierte nichts, im dritten hatten die Heideköpfe wieder ihre Prominenz am Schlag. Pecci punktete zum 2:2, Kevin Kotowski mit einem RBI von Peter Johannessen zum 3:2. Im vierten Inning passierte nichts, im fünften fing Heidenheim wieder oben an und ging durch Pecci und den Centerfielder James McOwen mit 4:3 in Führung. Wieder mit Johannessen-RBI darauf wieder Schulz, 4:4.
Im sechsten Inning passierte nichts, wobei die Heidenheimer das Pech hatten, dass Pecci bei zwei Aus noch einmal an den Schlag musste. Hätten sie den 38-Jährigen im siebten Durchgang gehabt, wären wahrscheinlich mehr als die zwei Runner zum 6:4 an der Platte angekommen.
Unser Starter Jan-Niclas Stöcklin hatte mittlerweile Feierabend, der Pitch Count war erreicht. „Beide Starter hatten nicht ihren besten Tag“, sagte Wermuth. „Wir haben ja viele gute Pitcher, da war es nicht nötig, Janni länger auf dem Mound zu lassen – dachten wir.“
Big Inning im Siebten
Der Heidenheimer Starter Johannes Krumm trat noch einmal gegen Kevin Kotowski und Marcel Schulz an, walkte den einen und servierte dem anderen einen Pitch zum Basehit und wurde dann ebenfalls ausgewechselt. Krumms Streuung war zu hoch, er hatte zu viele Balls geworfen, aber durch den Wechsel wurde es nicht besser. Der Reliever Patrick Seyfried brachte nicht mal das Inning zu Ende: Ein Walk für Mike Larson füllte die Bases, ein 2-RBI-Double von Boldt, ein Line Drive hart die linke Seite entlang, und ein Drei-Punkte-Homerun von Johannessen hoch an den Fangzaun hinter dem Rightfield räumten sie wieder leer. 9:6 für die Mainz Athletics nach sieben Innings.
Aber Manuel Möller, der schon den fünften und sechsten Run der Heideköpfe nicht hatte verhindern können, hatte seinerseits Schwierigkeiten mit der mutmaßlich stärksten Offensive der Liga. Walks für Johannes Schäffler, Philip Schulz und McOwen brachten die A’s in eine Bredouille, aus der unser dritter Pitcher, Nick Böttger, nicht rechtzeitig heraus kam. Unverschuldet – zwei der drei Runs, mit denen die Gäste zum 9:9 ausglichen, resultierten aus einem Fehler im Infield.
Siebeneinhalb Innings, 9:9. Acht Innings, immer noch 9:9. Und jetzt erst nahm das Drama seinen Lauf. Böttger gab im neunten Inning keinen Hit und keinen Run ab, hatte es natürlich auch mit einem Abschnitt der Heidenheimer Lineup zu tun, der auch gegen die anderen beiden Pitcher nicht viel produziert hatte. Wir brachten Joel Johnson bis zur dritten Base, hatten aber schon zwei Aus. Mike Larsons Schlag ins Leftfield war das dritte. Verlängerung.
Eigendynamik lässt der Kälte trotzen
Fünf Extra-Innings, in denen die Partie eine Eigendynamik entwickelte. Einige Zuschauer hatten den eisig kalten Hartmühlenweg inzwischen verlassen, aber wer jetzt da war, blieb bis zum Schluss. Zu spannend, zu interessant war die Partie, um jetzt zu gehen. „Ein toller erster Tag“, strahlte Wermuth. „Selbst bei solchen Temperaturen 400 Zuschauer, das ist sehr erfreulich.“
Seitens der A’s kam nun Christian Decher auf den Mound, ein Pitcher mit Starter-Erfahrung. Ein Glücksfall, denn Decher ist es gewohnt, mehr als ein Dutzend Bälle zu werfen, auch mal fünf Innings durchzuhalten. Im zehnten hatte unser Siebener zwei Runner auf Base und ließ sie dort verhungern. Die Offensive – Boldt, Johannessen, Lennard Stöcklin – schlug den Ball dreimal hart ins Outfield, dreimal den Verteidigern in die Handschuhe. Im elften Inning schickten unsere Infielder und der Pitcher die Heideköpfe zurück ins Dugout, aber auch Johnson, Jonathan Wagner und Timothy Kotowski richteten keinen Schaden an. Im zwölften schlugen vier Heidenheimer die Bälle weg, aber nur Simon Gühring kam auf Base, umrahmt von drei Flyouts. Kevin Kotowski und Schulz scheiterten am Infield, Mike Larsons Schlag zum Scoreboard war lange unterwegs, fiel aber knapp vor dem Zaun in Marius Bucks Handschuh.
Der Routinier Robert Gruber pitchte inzwischen für die Heideköpfe. Gruber hat heute, am Ostersonntag, Geburtstag, aber es war noch nicht Ostersonntag. „Wir wollen bis zum Geburtstag spielen“, scherzten die Heidenheimer mit ihren Fans. Sie waren alle fasziniert von diesem Krimi, diesem absolut offenen Spiel, in dem die Defensivreihen und die Pitcher in dieser Phase dominierten, aber auf beiden Seiten eine gute Aktion alles hätte entscheiden können.
„Bis jetzt liebe ich die Bundesliga“, sagte unser Shortstop Joel Johnson. „Die Fans haben mich heute Nacht beeindruckt. Wie lange sie geblieben sind! Kleine Kinder sind über ihre Schlafenszeit hinaus geblieben, bis zum Ende des Spiels!“
Im 13. Inning erreichte Christian Decher seinen persönlichen Höhepunkt des Abends. Starter Stöcklin hatte im fünften und sechsten Inning schon vier Strikeouts hintereinander geworfen, nun erledigte der Reliever das Inning alleine. Aber auch die Heidenheimer stellten schnell klar, dass ein 14. Inning folgen würde.
Die Entscheidung im 14. Inning
In diesem hatte unsere Defensive zum ersten Mal seit über einer Stunde wieder Probleme. Johnsons Fehler brachte Schäffler auf Base, ein schlechter Pitch auch Pecci. Kevin Kotowski fing McOwens Schlag zum zweiten Aus, überwarf dann aber den Shortstop beim Versuch eines Doubleplays. Das gelang schließlich doch – die Heidenheimer wollten den Fehler nutzen, Lennard Stöcklin sicherte den Ball irgendwo zwischen dritter Base und Homeplate und machte das dritte Aus zusammen mit Johnson. Ein wildes Doubleplay, das unser Team wieder an den Schlag brachte.
Und Joel Johnson eröffnete diesen letzten Durchgang mit einem weiten Double ins Leftfield. Das Publikum merkte, dass das die große Chance war, wurde nochmal laut. „Toll“, sagte Wermuth. „Die Rufe – Mainzer! Mainzer! – waren ein Highlight für uns. Schön, dass immer noch so viele da waren, die sich so eingebracht haben, uns so energisch angefeuert.“
Jonathan Wagner schob seinen Shortstop mit einem Sacrifice Hit an die dritte Base. AJ Mackey, eigentlich Starting Pitcher für die Sonntagspartie, wurde eingewechselt, schlug aber nicht, sondern bekam den zweiten Pitch ans rechte Bein. Runner an der ersten und dritten Base, ein Aus. Kevin Kotowski am Schlag. Versuch eines Doubleplays, das auch dieses Inning beendet hätte. „Ich sehe, wie der Ball von Kevins Schläger fliegt“, beschrieb Johnson die Situation. „Ich sehe, wie er den Boden berührt und laufe los. Als ich Home berührt habe, habe ich rübergeschaut und den Ball auf dem Boden gesehen. Und mir war klar: Das war’s.“ Jay Pecci, der Erfahrenste der Heideköpfe, hatte den Wurf seines Shortstops nicht festhalten können. Johnsons Run zählte. „Kevin hatte ja noch Pech“, sagte Johnson. „Ein Fuß weiter nach links oder rechts und wir spazieren durch.“
Beide Mainzer US-Neuzugänge sind sehr angetan von ihrem neuen Team und ihrer neuen Umgebung. „Ich hatte großen Spaß“, sagte Mackey. „Es war ein schönes Spiel, ich hätte nur nicht gedacht, dass es so lang wird. Beide Teams haben sehr hart gekämpft. Und ich habe einige Spieler gesehen, die das Zeug zum Profi haben. Vom Niveau her war das wie Division 1 College Baseball.“ Johnson kommt frisch vom College „und das hier ist schon eine Stufe höher“, sagte der Shortstop. „Ich hoffe natürlich, dass nicht alle Spiele so ausarten. Es war eine Schlacht. Keiner wollte aufgeben. Alle sind dran geblieben. Entschlossenheit. Hartnäckigkeit. Das beschreibt es gut. Und das ist wichtig. Vor allem hat dieses Team Ahnung von Baseball. Ich habe mit Max Boldt gesprochen. Er hat sechs, sieben Pitches in Folge richtig vorausgesagt. Er wusste, was kommen wird. Das ist großartig.“
Die Nacht ist kürzer als erwartet für unsere Spieler, unsere Fans, unsere Gäste. Schon um 14 Uhr beginnt am Hartmühlenweg die zweite Partie zwischen den Mainz Athletics und den Heidenheim Heideköpfen. Vielleicht belassen wir es diesmal ja bei neun bis elf Innings. cka / Fotos: Tanja Szidat