Zusammenfassung
Wir wollen es erzwingen. Wir haben das Playoff-Ritual mit veränderter Gesichtsbehaarung vorgezogen, wir haben uns überlegt, wie wir die Stimmung im Stadion schon früh am Tag zum Brodeln bekommen können. Wir haben alle möglichen Register gezogen. Und wir haben es erzwungen. 3:2 und 5:4 gegen die Stuttgart Reds, das ist weniger noch als eine Revanche für die Niederlagen in Stuttgart am Donnerstag, das ist viel mehr als ein Lebenszeichen, das ist unser Comeback im Rennen um die Playoffs. Das wird noch vier Spieltage andauern, an denen wir gegen in Haar, gegen Mannheim, in Regensburg und gegen Bad Homburg spielen. Das bleibt eng und spannend. Vielleicht entscheidet es sich erst im letzten Spiel, vielleicht brauchen wir sogar den direkten Vergleich. Das alles werden wir sehen, wenn es so weit ist. Was jetzt, aktuell, zählt ist: Wir sind voll dabei.
Wem haben wir das zu verdanken? Man könnte jetzt Einzelspieler herauspicken. Jan-Niclas Stöcklin, der im ersten Spiel nur drei Tage nach seinen 85 Pitches in Stuttgart ein Complete Game mit 123 Pitches geworfen hat und dabei nur fünf Runner auf die Bases gelassen hat; nach unserer 3:2-Führung keinen einzigen mehr. Oder seinen Bruder Lenny, der an seinem 21. Geburtstag im zehnten Inning des zweiten Spiels den entscheidenden Run gescort hat. Oder Mike Larson, der nach seinem Homerun im zweiten Spiel auch den entscheidenden Schlag für Lenny gehauen hat. Oder Lucas Dickman, der kurzfristig als Starter für den verletzten Michael McIver einspringen musste und trotz der vier Runs, die er abgab, einen sehr guten Job machte. Vielleicht auch den sehr sicheren Max Boldt an der zweiten Base oder den schnellen Marcel Schulz, der den Winning Run des ersten Spiels scorte.
Man könnte es aber auch einfach sein lassen. „Heute hat man den Zusammenhalt gespürt“, sagte unser Geburtstagskind und Matchwinner. „Wir haben so gespielt, wie wir es immer vorhatten. Das ist wichtig.“ Dieses „Wir“ kann man getrost von der Mannschaft auf das Publikum, den Präsidenten und die Softballerinnen, die die Stimmung im Stadion befeuerten, auf den ganzen Verein ausdehnen. Es waren letztlich die insgesamt elf Spieler auf dem Platz, die die Siege geholt haben. Aber die Stuttgarter, die ihrerseits auch einige lautstarke Fans dabei hatten, mussten nicht nur gegen die elf Jungs in Weiß und Gelb antreten, sondern gegen den Verein Mainz Athletics. Der war an diesem Tag zu stark.
„Jedes Spiel in diesem Jahr ist Nervenkrieg“, sagte unser Coach Ulli Wermuth. „Ich habe mir inzwischen das Altern abgewöhnt. Es macht ja Spaß, knappe Spiele zu gewinnen.“ Zufall war es nicht. Auch keine Demonstration überlegener Klasse. Sondern harte Arbeit. Bei der aber in Schlüsselsituationen jeder seinen Job kannte, seine Fähigkeiten abrufen konnte und das nötige Matchglück hatte.
In beiden Spielen hatten wir frühe Führungen. 2:0 nach zwei Innings im ersten, 3:0 im ersten und 4:0 im dritten Inning der anderen Partie. In beiden Spielen ging diese Führung komplett verloren. Aber in beiden Spielen holten wir sie uns zurück, erst durch Schulz (Double, Sacrifice Bunt von Nici Weichert, Sacrifice Fly von Kevin Kotowski), dann durch Lenny Stöcklin in einem wahren Baseballdrama.
Der nämlich eröffnete das zehnte Inning mit einem Double, worauf die Reds mit einem Intentional Walk für Andrew Jones die Forceplay-Chance wieder herstellten. Diese Taktik hatte ein Inning zuvor wunderbar funktioniert. Stöcklin und Jones klauten sich die jeweils nächste Station, die Reds holten sich daher Julius Spann ebenfalls mit einem Intentional Walk auf die erste Base. Und diesmal klappte das nicht. Bei keinem Aus kam Mike Larson an den Schlag, der Mann, der im dritten Inning einen gewaltigen Homerun über alle Zäune und Fangnetze, die Straße und die erste Baumreihe gedonnert hatte, und wusste: Der Ball muss jetzt einfach nur weit weg. Wohin? Egal. Wie? Egal. Einfach nur weit weg.
Larson nahm den ersten Pitch und drosch ihn ins Rightfield. Kein Problem für Marcel Hering. Aber: Weit weg, sehr weit. Weit genug für Lennard Stöcklin, der von der dritten Base zum Sieg nach Hause sprintete.
Jetzt sind wir Vierter, mit knappem Rückstand auf Stuttgart und knappem Vorsprung auf Mannheim – und auch die Haar Disciples könnten uns mit einem Doppelsieg am übernächsten Wochenende wieder schnappen. Es bleibt eng und spannend. Aber wir sind voll dabei. cka / Fotos: Tanja Szidat