Mit dem größten Optimismus ist die deutsche Baseball-Nationalmannschaft ohnehin nicht nach Mexiko gereist. Die DBV-Auswahl hätte das Turnier gegen die Gastgeber, gegen Nicaragua und gegen die Tschechen gewinnen müssen, um sich für die World Baseball Classics zu qualifizieren; an Mexiko vorbeikommen zu wollen, war im Grunde utopisch. Den letzten Platz allerdings hatte auch keiner ernsthaft einkalkulieren wollen; tatsächlich war das deutsche Team bereits nach zwei Spielen ausgeschieden. Die vier Mainzer Nationalspieler – nur Max Boldt und Jan-Niclas Stöcklin spielten mit, Kevin Kotowski und Lucas Dickman blieben in den Dugouts – sind nun wieder da. Beim gestrigen Spiel der Zweitligamannschaft gegen die Bad Homburg Hornets waren sie noch Zuschauer, heute abend (19 Uhr) steigen sie bei der Preseason-Partie gegen die Mannheim Tornados wieder in den Vereinsspielbetrieb ein.
„Wir sind schon davon ausgegangen“, sagt der Infielder, „dass wir uns besser verkaufen. Wir hätten gerne drei bis vier Spiele gespielt.“ Beim 5:6 gegen Nicaragua war Pech dabei. „Wir hatten Situationen, in denen wir mehr Runs hätten produzieren können“, sagt Boldt – und mehr Runs hätten nicht mal nötig sein müssen. Im neunten und im zehnten Inning ging das DBV-Team in Führung, Nicaragua schlug zweimal zurück. „Es war ein guter Gegner“, urteilt Boldt, „alles Profis, die mehr spielen, die abgebrüht und routiniert sind, aber es war ein Spiel auf Augenhöhe, das in beide Richtungen kippen kann.“
Das 3:15 gegen Tschechien bedeutete das frühestmögliche Ausscheiden. „Eigentlich wären wir Favorit“, sagt Boldt, „aber sie haben jetzt die letzten beiden Spiele gegen uns gewonnen. Sie haben gut gespielt, hatten gute Plays, waren am Schlag gut, und hatten ein bisschen Hilfe von uns. Errors, Walks, schlechte Feldverteidigung, schlechte Pitches, das kann man sich auf dem Niveau nicht erlauben.“
Zeitverschwendung war’s freilich trotzdem nicht. Vor den beiden Turnierspielen gab es fünf Vorbereitungspartien gegen mexikanische Teams und Minor-League-Mannschaften – Gegner über dem normalen Bundesliganiveau. Dadurch kommen die vier Mainzer direkt aus dem hochwertigen Trainingsbetrieb zurück zum restlichen Team, das gegen die Tornados erstmals in diesem Jahr mehr oder weniger in Bestbesetzung spielen kann. Der Shortstop fehlt noch; Trey Stover wird erst am Samstag eintreffen, gerade rechtzeitig zum Mannschaftsfoto und zur Generalprobe gegen die Bonn Capitals. Und hinter Kevin Kotowski steht ein kleines Fragezeichen; der Centerfielder kam mit einer kleinen Blessur aus Amerika zurück, „aber nichts Wildes“, berichtet Boldt.
Es wird die erste echte Standortbestimmung in dieser Preseason sein. Die Auftaktspiele in Mannheim sind ja dem schlechten Wetter zum Opfer gefallen, dann sagten die Solingen Alligators den für den vergangenen Samstag geplanten Härtetest kurzfristig ab. Als echte Testspiele gab es bisher nur die Partien in Stuttgart gegen die Tübingen Hawks (11:1) und die Stuttgart Reds (7:8); die Nationalspieler waren nicht dabei. „Es ist schwierig zu sagen, wie weit wir sind“, räumt Manuel Möller ein. „Die Truppe hat noch nicht zusammen trainiert.“
Die Pitcher, sagt unser Routinier, seien fit: „Das ist Anfang des Jahres immer so. Wir sind den Hittern voraus.“ Das ist natürlich kein Wunder, das liegt am besseren Trainingsrhythmus im Winter. Pitches werfen kann man auch in der Halle, Spielsituationen für die Angreifer und die Defense kann man unterm Dach nicht simulieren. „Und es ist schwierig, sich wieder auf Pitcher einzustellen, die nicht nur geradeaus werfen“, erklärt Möller. „Das ist bei den Profis aber auch nicht anders. Hitter brauchen Zeit.“ Aber auch die Pitcher werden nicht von Anfang an maximal belastet, bekommen von Spiel zu Spiel immer ein Inning mehr, sollen erst gegen Bonn die Bundesliga-Pitchcounts angreifen.
Der Bullpen ist freilich voll genug, dass wir auch durch jenen Doubleheader auch mit verminderter Belastung durchkämen. „Das Pitching wird unsere Stärke“, sagt Möller. „Wir sind so gut aufgestellt wie seit Jahren nicht mehr. Mit Eric Massingham und Janni Stöcklin haben wir von den Statistiken her das beste Starterpaar der Liga, Eric hat das in den bisherigen Spielen auch gezeigt. Die Rückmeldungen von unseren Schlagleuten lauten durchweg: Der ist schwer zu schlagen. Lucas Dickman gibt uns weitere Tiefe. Pitcher kann man nie genug haben und Lucas ist ein sehr guter.“ Außerdem sind Möller selbst, Closer Tim Stahlmann und der Rookie Yannic Wildenhain da.
Aber auch aus den anderen Bereichen liest Möller viel Qualität ab: „Die Lineup ist ziemlich stabil. Kippy gibt uns viele Optionen im Infield, Timmy Kotowski ist ein Jahr älter und hat im Wintertraining sehr gut ausgesehen, Peter Johannessen ist wieder da und bringt Stabilität in die Offense. Viel wird sich nicht verändern.“ Der große Unbekannte ist natürlich noch der Shortstop Trey Stover. „Wir müssen sehen, was er kann“, sagt Möller. „Man kauft immer ein bisschen die Katze im Sack. Das Niveau in der Bundesliga ist sehr hoch und man kann nie einschätzen, wie sich die Amerikaner akklimatisieren. Auch anhand der Statistiken kann man sie nicht wirklich beurteilen.“ Möllers Einschätzung: „Ein Homerun-Hitter ist er nicht, Defense und Speed sind sein Spiel. Wir brauchen einen #2-Hitter hinter Kevin, vor Max Boldt und Peter Johannessen. Joel Johnson war das nicht. Er war sehr gut in der Defense, aber am Schlag hat es nicht funktioniert. Daher gehe ich davon aus, dass Trey uns verbessert.“
So gibt es auf allen Positionen mindestens einen Stammspieler, auf vielen sogar einige Optionen. Spannend wird das Rightfield, wo Marcel Schulz fehlt. Mike Larson, der lange hinten rechts gespielt hat, zuletzt aber Designated Hitter war, ist ein Kandidat, Tim Kotowski an der Seite seines Bruders, aber auch Jonathan Wagner, für den dann Max Boldt catchen würde, kommen in Frage. „Die Puzzleteile kann man aber erst zusammensetzen, wenn man das letzte Preseasonspiel gespielt hat“, sagt Möller. „Dann kann man sehen, was gut und was schlecht funktioniert hat.“ cka